Psychische Gesundheit

Ein Artikel von Dr. Ralf Franke, Leiter der Siemens-Abteilung Environmental Protection, Health and Safety, über einen möglichen Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern.

Spielend dem Tabu begegnen

Am 27. Februar 2018 habe ich einen Vortrag auf der 8. Corporate Health-Konferenz in Berlin gehalten. Als Thema hatte ich unser neues gamifiziertes Training für Führungskräfte zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz gewählt.

Ein ernstes Problem für Menschen und Unternehmen

Wie Sie wahrscheinlich wissen, sind psychische Erkrankungen nicht nur für die Betroffenen eine große Belastung. Die daraus resultierenden Fehlzeiten und die verminderte Arbeitskraft stellen ein ebenso ernsthaftes Problem für Unternehmen und Volkswirtschaften dar. Wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in einer aktuellen Studie errechnet hat, belaufen sich die durch Produktivitätsverluste und Fehlzeiten verursachten Kosten, die jährlich allein in Deutschland aufgrund von psychischen Problemen der Erwerbstätigen anfallen, auf insgesamt 21 Milliarden Euro. Meiner Meinung nach sollte deshalb jedes Unternehmen auf die mentale Gesundheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten – zum Wohl der Beschäftigten wie auch des Unternehmens.

Dem Tabu begegnen

Ein Haupthindernis beim richtigen Umgang mit psychischen Erkrankungen ist die Stigmatisierung. Trotz effektiver Behandlungsmethoden schätzen Experten den Anteil der Menschen, die unter einer psychischen Störung leiden und nicht medizinisch versorgt werden, auf bis zu 70 Prozent. Während meiner Berufsjahre als Betriebsarzt und Leiter des betrieblichen Gesundheitsmanagements habe ich immer wieder erlebt, dass psychische Probleme ein Tabu sind und die meisten Betroffenen es ablehnen, mit ihren Vorgesetzten darüber zu sprechen. Gleichzeitig ist dies aber notwendig, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, den jeweiligen Mitarbeiter zu unterstützen. Wir bei Siemens haben deshalb entschieden, psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zum Thema zu machen. Wir wollen unsere Vorbehalte und Unsicherheiten im Umgang mit psychischen Erkrankungen überwinden.
 

Um das Schweigen und das Tabu zu brechen, konzentrieren sich unsere Maßnahmen auf die drei Ursachen von Stigmatisierung: falsches oder mangelndes Wissen, Vorurteile bzw. eine voreingenommene Grundhaltung sowie fehlende Unterstützung. Durch eine Posterkampagne soll das Bewusstsein für diese Thematik im Unternehmen geschärft und eine veränderte Einstellung erreicht werden. Als zweiter Baustein wurden Videointerviews mit einem betroffenen Mitarbeiter und einem Manger gedreht, in denen die Gesprächspartner offen über ihre jeweiligen Erfahrungen berichten. Diese persönlichen Erfahrungsberichte tragen wesentlich zur Entstigmatisierung bei und fördern das Verständnis unter den Mitarbeitern. Die dritte Maßnahme ist ein gamifiziertes Training für Führungskräfte zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Wenn wir es schaffen, unsere Führungskräfte frühzeitig für Änderungen im Verhalten ihrer Mitarbeiter aufgrund von psychischen Problemen zu sensibilisieren, und diese dann entsprechend ihrer Verantwortung die richtigen Schritte einleiten, können sie dazu beitragen, dass betroffene Mitarbeiter ihre psychische Krisen überwinden.

Richtiges Verhalten einüben

Das Training simuliert typische Arbeitssituationen im Stil eines Computerspiels. Die Teilnehmer erhalten regelmäßig ein Feedback zu ihren Entscheidungen. Führungskräfte und Vorgesetzte sollen so ihr Bewusstsein für Fragen der seelischen Gesundheit schärfen; sie sollen lernen, Warnsignale im Verhalten von Mitarbeitern zu erkennen und ihnen eine optimale Unterstützung zukommen zu lassen. Bei der Berliner Konferenz hatte ich Gelegenheit, einige Minuten unseres spielerischen Trainingskonzepts vorzustellen. Ich wollte dem Publikum zeigen, wie es funktioniert und wie es aussieht. Das Feedback war sehr positiv. Einige Verantwortliche für das betriebliche Gesundheitsmanagement erzählten mir, dass sie sich vorstellen könnten, ein ähnliches Training auch in ihrem Unternehmen zu starten.
 

Unsere ersten Erfahrungen mit dem gamifizierten Training sind durchweg positiv. Die ersten 48 Teilnehmer sollten für uns einen Fragebogen ausfüllen – einen Tag vor Trainingsbeginn, einen Tag nach Trainingsende und wieder drei Monate später. Wir wollten herausfinden, ob das Training ihr Wissen über psychische Gesundheit bzw. Erkrankungen verbessert hat, ob sie sich gegenüber Betroffenen anders verhalten und ob sie nun in der Lage sind, auf mentale Probleme am Arbeitsplatz angemessen zu reagieren. Wie die Ergebnisse unserer Befragungen zeigen, hat das Training tatsächlich die Kenntnisse und Fertigkeiten der Teilnehmer im Umgang mit diesen Problemen geschärft.

Proaktiv agieren

Diskutieren Sie mit uns über dieses wichtige Thema.

In den Konferenzpausen unterhielt ich mich mit einigen Gesundheitsmanagern. Ich erfuhr, dass die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in fast jedem Unternehmen ein wichtiges Thema für das Gesundheitsmanagement ist. Um den Betroffenen besser zu helfen und mögliche Kosten zu senken, müssen wir dieses Thema proaktiv angehen.

Was unternimmt Ihre Firma, um das Stigma, das dieses Thema umgibt, zu durchbrechen, und ein offenes Gesprächsumfeld zu schaffen? Ich freue mich Ihr Feedback!