130-jährige Mechanik trifft auf neuste Steuerung

insight 1/2018

Sicherheit ist das oberste Gebot, wenn die Arbeiter bei der Pilatusbahn, die Triebfahrzeuge warten. Die Hochspannung der Fahrleitungen muss kontrolliert geschaltet werden. Bei der Schiebebühne aus dem Jahr 1888 wurden deshalb Steuerung und Antrieb ersetzt. Dank der fehlersicheren Steuerung mit integrierten Motion Control-Funktionen von Siemens liess sich eine einfache, robuste Lösung umsetzen.

 

Es ist 7.00 Uhr, Bewegung kommt in den Fahrzeugpark: Ein Triebfahrzeug nach dem anderen fährt nach vorne und wird von der Schiebebühne in Querrichtung auf das Gleis beim Ausgang verschoben. Bevor die Wagen ins Freie fahren, überprüft der Zugvorbereiter Bremsen, Ölstände und Sicherheitsfunktionen. Um 8.10 Uhr bringt der erste Wagen die Gäste auf den 2132m hohen Gipfel. Ueli Wallimann, Betriebsleiter der Zahnradbahn, ist mit Recht stolz: «Mit einer Steigung von bis zu 48 Prozent ist die Pilatusbahn die steilste Zahnradbahn der Welt. Und dies seit fast 130 Jahren.» Wegen der aussergewöhnlichen Steigung entwickelten die Erbauer 1888 ein spezielles Zahnradsystem mit einer besonderen Zahnstange. Auch die Schiebebühne stammt aus dieser Zeit. «Damals wurde die Bahn mit Dampf betrieben, 1937 hielt die Elektrizität Einzug», erzählt Wallimann.



Automatisierung erhöht die Arbeitssicherheit

 

Wenn die Arbeiter die Triebfahrzeuge kontrollieren und warten, bewegen sie sich in einem gefährlichen Umfeld. Die Hochspannung der Fahrleitungen muss deshalb kontrolliert geschaltet und geerdet werden. Um die Sicherheit der Arbeiter zu erhöhen, entschied sich Pilatus-Bahnen AG für eine Automatisierung: Während das Triebfahrzeug mit der Schiebebühne bewegt wird und während der Wartungsarbeiten am Fahrzeug muss die Hochspannung ausgeschaltet sein und darf sich erst wieder per Handtaster einschalten lassen. Mit diesen Anforderungen kam Wallimann auf Furrer+Frey AG zu.

 

Die elektrische Einrichtung der Schiebebühne war in die Jahre gekommen – in dieses System einen Positionssensor zu integrieren und so die Hochspannung zu schalten, machte keinen Sinn. Patrick De Gottardi, Projektleiter bei Furrer+Frey schlug deshalb vor, im gleichen Zug die Steuerung und die Motoren der Schiebebühne zu erneuern: «So können wir die Hochspannung direkt mit der Steuerung schalten.»



Einfache Lösung dank fehlersicherer Steuerung

 

Heute steuert eine Simatic S7-1500 von Siemens die Schiebebühne. Die Motion-Control-Funktionen sind in der neuen Generation der fehlersicheren Steuerung integriert. Für De Gottardi eröffnen sich damit neue Möglichkeiten: «Dank der fehlersicheren Steuerung mit den integrierten Motion-Control-Funktionen konnten wir die Steuerung flexibel auf die Kundenbedürfnisse anpassen.»

 

Das Team ersetzte ausserdem die Motoren mit Asynchronmotoren. Angesteuert werden sie mit einem Frequenzumrichter G120 von Siemens.

 

Für die Sicherheit der Arbeiter sorgt zusätzlich eine Lichtschranke. Sie verhindert, dass die Schiebebühne ganz an den Rand der Grube fährt und so einen Arbeiter erdrückt. Steht die Bühne still, wird die Lichtschranke deaktiviert. Denn gewisse Prüf- und Wartungsarbeiten lassen sich nur unter Spannung durchführen. Nachts ist die Lichtschranke ebenfalls deaktiviert, sonst könnten Tiere in der offenen Halle einen Fehlalarm auslösen. Auch diese einfache Lösung war nur dank der fehlersicheren Steuerung möglich.



Parameter setzen mit TIA Portal

 

Um die Steuerung zu programmieren, setzte Furrer+Frey das TIA Portal mit Startdrive ein. «Wir arbeiteten zum ersten Mal mit Startdrive. Die Einarbeitung war aufwändig, doch es hat sich mehr als gelohnt. Zudem hat uns Siemens dabei sehr gut unterstützt», erzählt De Gottardi. Bei der Parametrierung der Frequenzumrichter stiess das Team auf Schwierigkeiten. Eine in früheren Jahren clevere Lösung entpuppte sich nun als Herausforderung: In den Schienen der Schiebebühne sind in Querrichtung kleine Vertiefungen eingefräst. Wenn der Zugvorbereiter die Bühne früher von Hand verschob, verlangsamte er die Geschwindigkeit und liess die Räder in die Vertiefung laufen. So positionierte sich die Bühne automatisch an der richtigen Stelle. «Die Schienen zu ersetzen, wäre aufwändig gewesen. Wir mussten die Frequenzumrichter so steuern, dass die Bühne möglichst sanft über die Unebenheiten läuft», erklärt De Gottardi. Das Gewicht der Schiebebühne ist zwar nicht bekannt, Wallimann schätzt es aber auf acht bis zehn Tonnen. Hinzu kommt der Triebwagen mit einem Gewicht von 9,6 Tonnen. «Bei der Parametrierung des Sinamics G120 unterstützten uns die Siemensexperten vor Ort.»



Einzigartigkeit braucht Know-how

 

Das Team nutzte die Winterpause, um die Schiebebühne umzubauen. Das Projekt verlief reibungslos und die Partner schätzten die gute Zusammenarbeit. «Für uns war neu, dass der Kunde so viele Arbeiten übernimmt», erzählt De Gottardi. Die Pilatus-Bahnen AG hat eine gut ausgebaute Werkstatt und langjährige Mitarbeitende, die sich mit der Anlage bestens auskennen. Triebfahrzeuge und Infrastruktur werden seit jeher vor Ort gewartet und repariert. Der Grund ist einfach, wie Wallimann erklärt: «Unsere Bahn ist einzigartig, sie fällt aus allen Normen und Vorschriften. Kein externes Unternehmen kann die Arbeiten an Infrastruktur und Wagen durchführen. Deshalb haben wir dieses Know-how im Haus.»