Neue Geschäftsmodelle

Wie können Stadtwerke von der Energiewende profitieren?
Viele Stadtwerke befürchten infolge der Energiewende sinkende Margen, Einbußen auf der Einnahmenseite und steigende Ausgaben. Laut einer gemeinsamen Studie von Siemens und der TU Berlin »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« rechnen 40% aller Stadtwerke in nächster Zeit mit einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage. Der Trend zur dezentralen Energieerzeugung bietet ihnen allerdings gerade im kommunalen Querverbund zahlreiche Chancen, ebenfalls zu den Profiteuren der Energiewende zu gehören.
Mit der Kopplung von Strom, Wärme und Kälte, Mobilität und Gas steigen gleichzeitig die Chancen am Markt. Der klassische Querverbund bietet ideale Bedingungen, um Erzeugungsüberschüsse durch Sektorkopplung und mithilfe dezentraler Energiesysteme wirtschaftlich optimal auszuschöpfen.
Möglichkeiten der Sektorkopplung
Die Sektorenkonvergenz eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten, die sich je nach Situation als Grundlage für neue Geschäftsmodelle nutzen lassen. In der Siemens-Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« haben wir die unterschiedlichen Möglichkeiten untersucht und analysiert:Power-to-Gas for Power
Konventionelle Stromspeichermöglichkeiten wie über Pumpspeicherkraftwerke oder Batterielösungen können bezogen auf den Jahresstromverbrauch in Deutschland Stromerzeugungslücken nur im Minutenbereich ausgleichen. Wasserstoffspeicher scheinen derzeit das einzige praktikable Langzeitspeichersystem für große Energiemengen zu sein und werden daher vermutlich mittelfristig erheblich an Relevanz für das deutsche Energiesystem gewinnen. Wasserstoff kann bis zu einem niedrigen Prozentbereich ins Gasnetz eingespeist und in Kavernenspeicher eingepresst werden. Durch Elektrolyse gewonnener Wasserstoff eignet sich daher sehr gut zur Langzeitspeicherung großer Energiemengen, die aus fluktuierenden erneuerbaren Quellen gewonnen wurden.
Am Ende dieses Abschnitts können Sie die Studie kostenlos herunterladen.
Power-to-Gas for Industry
Kernstück des Geschäftsmodells »Power to-Gas for Industry« ist ein PEM(Proton Exchange Membrane)-Elektrolyseur, der innerhalb von Millisekunden auf die großen Sprünge bei der Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen reagieren kann. Der erzeugte qualitativ hochwertige Wasserstoff kann Industriekunden als kostengünstig lokal verfügbarer Grundstoff angeboten werden. Er ersetzt herkömmlichen Wasserstoff aus dem CO₂-lastigen Gasreformierungsprozess und ermöglicht den Kunden, ihre Emissionsbilanz deutlich zu verbessern. Erfolgt die Elektrolyse ausschließlich mit Strom aus regenerativen Quellen, ist die Wasserstofferzeugung nahezu klimaneutral.
Aufgrund der Speicherbarkeit des Wasserstoffs kann die Elektrolyse zudem als schaltbare dynamische Last betrachtet und dem Übertragungsnetzbetreiber am Regelleistungsmarkt als Sekundär- oder Minutenregelleistung angeboten werden. PEM-Elektrolysesysteme eignen sich dank ihrer Reaktionszeiten im Millisekundenbereich hervorragend als dynamische Regellastkomponenten zum Ausgleich von Netzschwankungen. Der Elektrolyseur lässt sich auch mit anderen schaltbaren Lasten und Erzeugungsanlagen in einem virtuellen Kraftwerk kombinieren. Selbst Anlagen anderer Betreiber können in ein solches Modell eingebunden werden.
Auf den Seiten 61 ff. in unserer Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« wird das Geschäftsmodell mit seinen zwei Kundengruppen detailliert beschrieben. Die Studie können Sie am Ende dieses Abschnitts kostenlos herunterladen.
Power-to-Gas for Mobility
Durch Wasserelektrolyse mit angeschlossener Methanisierung kann mit Strom aus erneuerbaren Quellen Methangas synthetisiert werden. Dieses Gas kann ins Gasnetz eingespeist und als Treibstoff für CNG-betriebene Fahrzeuge verwendet werden. Nutzt ein Stadtwerk eigene Windkraft- oder Photovoltaikanlagen als Energiequelle für ein Elektrolysesystem, so kann es „grünen“, also klimaneutralen Treibstoff anbieten. Außerdem kann so der Selbstnutzungsanteil von Energie aus den eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen gesteigert werden.
Der Vertrieb des erzeugten Methans erfolgt über das bestehende Erdgas- und Tankstellennetz. Daher sind Tankstellenbetreiber wichtige Partner für die überregionale Versorgung der Kunden mit Treibstoff. Die Abrechnung erfolgt per Tankkarte oder App direkt über ein Kundenmanagementsystem, über das die Kunden auch eine transparente Übersicht zu ihrem Treibstoffverbrauch und vermiedenen CO₂-Emissionen erhalten.
Weitere Details zu Power to Gas for Mobility finden Sie auf Seite 63 der Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung«, die am Ende dieses Abschnitts kostenlos heruntergeladen werden kann.
Integration erneuerbarer Energien zur emissionsreduzierten Wärmebereitstellung
Elektrische Wärmepumpen, elektrische Kessel oder Heizelektroden in Wärmespeichern sind eine vorteilhafte Power-to-Heat-Option in Gegenden mit ausgeprägter Nutzung eines Fernwärmenetzes. Sie sind in der Lage, ein Abregeln erneuerbarer Energiequellen bei Einspeisespitzen zu vermeiden: Bei niedrigen Spotmarktpreisen kann dagegen kostengünstig elektrisch Wärme erzeugt werden.
Wirtschaftlich interessant ist dies überall dort, wo zahlreiche Haushalte an ein bereits bestehendes Fernwärmesystem zur Heizung und Warmwasserbereitung angeschlossen sind. Bei Systemerweiterungen müssen hier lediglich die Grenzkosten der Erweiterung gedeckt werden.
In der Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« finden Sie ab Seite 46 ein ausführliches, mit umfangreichem Zahlenmaterial gestütztes Praxisbeispiel aus Dänemark. Die Studie steht weiter unten zum kostenlosen Download für Sie bereit.
Vollständige Fernwärmeversorgung durch erneuerbare Energien
Fernwärme birgt ein hohes Flexibilisierungspotenzial, um erneuerbare Energien über Power-to-Heat-Lösungen besser ins Energiesystem zu integrieren. Tatsächlich zeigen Demonstratorprojekte wie im dänischen Marstall, dass ein regionales Wärmenetz vollständig und wirtschaftlich aus erneuerbaren Energien versorgt werden kann, beispielsweise mit einer Kombination aus Sonnenkollektoren, Biomasse, Organic Rancine Cycle (ORC) sowie Wärmepumpen und thermischen Speichern. Das Fernwärmesystem wird je nach Saison und Bedarf durch einzelne oder eine Kombination verschiedener regenerativer Wärmeerzeuger versorgt. Während im Sommer zumeist solarthermische Anlagen ausreichen, können in den übrigen Jahreszeiten nach Bedarf andere Komponenten zugeschaltet werden.
Eine ausführliche Beschreibung des Demonstratorprojekts »Sunstore« finden Sie in unserer Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« auf Seite 50. Laden Sie sich die komplette Studie einfach am Ende dieses Abschnitts kostenlos herunter.
Power-to-Cold via Fernwärmesystem
Tri-Generation, also die gekoppelte Erzeugung von Kraft, Wärme und Kälte, ist ein plausibles Erweiterungsgeschäftsmodell für Power-to-Heat auf der Basis etablierter Fernwärmesysteme. Ein effizient arbeitendes System erfordert jedoch eine genaue Planung des Leitungssystems, des Durchsatzes und der Temperaturgradienten. Wirtschaftlich wird das System durch Erreichen von Skaleneffekten, also den Anschluss einer kritischen Menge an Kälte-Kunden im Leitungsgebiet. Wird zudem ein frei verfügbares Kältemittel wie Meerwasser verwendet, kann Kälte zu attraktiven Tarifen angeboten werden. Durch die Nachfrage nach der günstigen Kälte amortisieren sich Investitionen für die notwendigen separaten Wärme- und Kältekreise sowie Wärmetauscher und -speicher.
Der finnische Versorger Helsinki Energia (HELEN) liefert mit seinem District-Cooling-Netz ein praktisches Beispiel für den wirtschaftlichen Erfolg von Tri-Generation. In unserer Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung«, die Sie weiter unten kostenlos herunterladen können, erfahren Sie hierzu ab Seite 52 mehr.
Power-to-Mobility: Betrieb eines Systems für E-Mobility-Services
Als Eigentümer oder Betreiber von Ladeinfrastrukturen und Mobilitätsdienstleistungen können Stadtwerke eine IT-Infrastruktur betreiben, um Fahrern von Elektrofahrzeugen Elektromobilitätsdienstleistungen anzubieten. Die nötige E-Mobility-Software wird dabei nicht vom Betreiber selbst entwickelt, sondern lediglich an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Eigene Investitionen in eine IT-Plattform werden vermieden, da ein angepasstes Betriebsportal für die eigenen Ladepunkte als Software-as-a-Service zur Verfügung gestellt wird. Die Nutzung einer regionenübergreifend eingesetzten Software mit Roamingfähigkeiten ermöglicht sowohl die Adressierung des lokalen Geschäfts als auch den Zugang zum europäischen Markt. Für die Kunden wird das Angebot durch den überregionalen Zugang zu erweiterter Ladeinfrastruktur über Ladestationen verbundener Ladestationsbetreiber besonders attraktiv.
Die Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« widmet sich diesem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell ab Seite 53 ausführlich und illustriert die gesamte E-Mobility-Wertschöpfungskette für Stadtwerke. Sie kann weiter unten kostenlos heruntergeladen werden.
Laternenparker-Ladeinfrastruktur
Stadtwerke können vorhandene Straßenlaternen und das sie versorgende Niederspannungsnetz nutzen, um Ladepunkte für E-Mobility direkt an den Straßenlaternen anzubringen. So kann bei niedrigen Investitionen eine attraktive städtische Ladeinfrastruktur in der Breite angeboten werden, die in Innenstadtbereichen sowie in Wohngegenden ohne ausreichend private Stellflächen zumindest das Laden bei niedrigen Leistungen und langsamer Geschwindigkeit erlaubt. Die Fahrer der Elektrofahrzeuge müssen das notwendige Kabel mit geeichtem Zähler und Kommunikationsinfrastruktur selbst mitführen und tragen dadurch einen Teil der Ladesystemkosten mit. Das Informations- und Kommunikationssystem kann als White-Label-Lösung vom Stadtwerk zugekauft werden.
Weitere Informationen und ein ausführliches Beispiel zum Geschäftsmodell Laternenparker-Ladeinfrastruktur finden Sie in unserer Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« auf den Seiten 58/59. Laden Sie sich die komplette Studie am Ende dieses Abschnitts kostenlos herunter.
Leasinggeber für gesteuerte Heizgeräte
Die spezielle Power-to-Heat-Lösung im Laststeuerungsbereich macht es möglich, Investitionen in Erzeugungs- und Verteilungsanlagen zu vermindern und die Systemkosten insgesamt zu minimieren: Private Haushalte und Gewerbekunden leasen vom Energieversorger smarte Geräte für Heizung und Warmwasser, die das EVU in vorgegebenen Zeiträumen ohne Komforteinbußen fernsteuern kann. Per Lastmanagement kann eine unnötige Gleichzeitigkeit von Lasten mit einer koordinierten Steuerung vermieden und so die Spitzenlast gesenkt werden.
Das reduziert mittelfristig die nötigen Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen in Erzeugungs- und Verteilungsanlagen. Gleichzeitig ermöglicht die vorhersagbare und steuerbare Lastflexibilität eine bessere Integration fluktuierender Einspeisung aus erneuerbaren Quellen.
Ausführliche Details zu diesem Geschäftsmodell finden Sie in unserer Studie »Stadtwerke im Zeitalter der Sektorkopplung« ab Seite 44. Die gesamte Studie können Sie am Ende dieses Abschnitts kostenlos herunterladen.