Ein Leben für sichere Bahnautomatisierung 

Die Züge von heute kommunizieren. Betriebsleitsysteme sind dabei der intelligente Kopf der Bahnen. Sie steuern, disponieren und kontrollieren den Betrieb auf den Strecken, in den Bahnhöfen und der Infrastruktur. Elektronische und digitale Stellwerke sorgen für Sicherheit. Sie überwachen, ob Gleisabschnitte frei sind, stellen Fahrstraßen ein und informieren durch Signale über den Fahrauftrag und die Geschwindigkeit. Für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Strecke sorgen dabei automatische Zugbeeinflussungssysteme: Die Fahrzeuge werden über die vorausliegende Strecke und die zulässige Geschwindigkeit informiert und falls nötig automatisch gebremst. Für Reisende ist das Zugfahren dank dieser Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung sicher.

Jens Braband und sein Team haben Zügen die sichere Kommunikation und Steuerung unter Benutzung von kommerziellen Standardsystemen beigebracht, von der Übertragung kritischer Daten beim European Train Control System (ETCS) bis zum Digitalen Stellwerk (DSTW). Der Mathematiker befasst sich seit bald 30 Jahren mit der Sicherheitsforschung im Bahnverkehr. Seine Algorithmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Technologien wie WLAN, GSM, Smartphones, Cloud oder Ethernet in Zügen und Infrastruktur zum Einsatz kommen können und auch vor Cyberangriffen geschützt sind. Jens Braband hat die sichere Digitalisierung und Automatisierung entscheidend mitgeprägt. Für seine Verdienste wird er als Erfinder des Jahres 2020 in der Kategorie Lebenswerk ausgezeichnet. Er hält 120 Patente aus 66 Patentfamilien.

„Ich identifiziere gerne Probleme und versuche dann, Modelle zu finden, die sie beschreiben und lösen“, beschreibt Jens Braband die Herangehensweise, die ihn durch sein gesamtes Berufsleben begleitet hat. „Mathematische Modelle machen Annahmen über die komplexe Wirklichkeit. Man kann dann etwas prognostizieren, ohne dass es immer wieder ausgeführt oder getestet werden muss.“ Entscheidend sei dabei, dass die Modelle nicht in allen Details exakt stimmen müssten. „Es reicht“, erklärt Braband, „wenn die Wirklichkeit ausreichend gut beschrieben wird“. In Bezug auf die Sicherheit im Schienenverkehr, bedeute dies: „Die Modelle müssen so gut sein, dass das Risiko verlässlich unter einem Grenzwert gehalten wird.“

Braband hat nicht nur solche Modelle entwickelt, sondern er hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass Normungsgremien und Zulassungsbehörden einen sogenannten risikobasierten Ansatz überhaupt für sicher und überzeugend halten. „Das war ein Paradigmenwechsel“, sagt Braband. Denn lange Zeit wurde z. B. für Kommunikationsvorgänge im Bahnwesen auf Sicherheit durch proprietäre Systeme und Redundanz gesetzt. „Der risikobasierte Ansatz machte es möglich, über kommerzielle Produkte wie WLAN einkanalig sicher zu kommunizieren.“ Um solche bahnbrechenden Veränderungen auf den Weg zu bringen, musste Jens Braband sich in seinem wissenschaftlichen Leben auch immer wieder gegen anderslautende Überzeugungen durchsetzen und aus Niederlagen lernen. „Ich habe immer wieder festgestellt, dass es wichtig ist, Grundsätze zu hinterfragen, wenn man Fortschritte erzielen möchte“, sagt er überzeugt. 

Da er selbst das Glück gehabt habe, von seiner Jugend an immer wieder auf Menschen getroffen zu sein, die „viel von mir verlangten, mir aber auch viel zutrauten“, fördert er heute selbst junge Talente, etwa Studenten als Honorarprofessor an der TU Braunschweig oder Mitarbeiter aus dem Nachwuchsprogramm bei Siemens Mobility. „Ich bringe sie mit den international besten Fachleuten in Verbindung.“ Viele gute Gedanken entstehen laut Braband aber auch einfach im persönlichen Gespräch. „Unsere Co-Working-Spaces oder die Cafeterias an unserem Standort eignen sich perfekt dafür, gemeinsam zu denken.“ Sein Anliegen sei es, den Schienenverkehr durch Automatisierung und Digitalisierung noch effizienter zu machen. „Das ist es, was mich mein ganzes Berufsleben lang antreibt.“