Eine Welt voller Geschwindigkeit

In der Formel 1 gibt es eigentlich kein fertiges Produkt. Ein Auto ist ein sich ständig weiterentwickelnder Prototyp, der jede Woche bis zu 1.000 Designänderungen erfährt. Nur so kann der entscheidende Vorsprung auf der Strecke erzielt werden. Red Bull Racing verlässt sich dabei auf Siemens PLM. Der Rennstall, der vier Mal in Folge den Weltmeister stellte, designt seine neuen Komponenten, testet sie virtuell und lässt sie mit nur einem Mausklick herstellen – um sie dann überall auf der Welt in seine Autos einzubauen.

 

Von Hubertus Breuer

Es ist eine gewaltige Aufgabe, der sich das Red-Bull-Racing-Team in der Formel 1 alljährlich stellt: Es verfügt über fünf komplette Streckenausrüstungen, bestreitet jedes Jahr weltweit 21 Rennen und muss an jede Strecke 40.000 Kilogramm Material per Luft- und Seefracht transportieren. In jedem Auto sind zudem 7.500 individuell gefertigte Komponenten verbaut, deren Designs im Laufe einer Saison rund 30.000 Mal abgeändert werden. Kurz: Die Formel 1 ist voll atemberaubender Zahlen und gewaltiger logistischer Herausforderungen.
 

Um das zu bewältigen, arbeitet das Red-Bull-Racing-Team seit seiner Gründung 2005 mit Siemens zusammen. Siemens bietet dem Team innovative Product-Lifecycle-Management-(PLM)-Software für die Konstruktion, Fertigung und Analyse von Autoteilen. Im Future Lab des „Goodwood Festival of Speed“ zeigte Siemens den Aston Martin Red Bull Racing RB6 Formula One neben seinem digitalen Zwilling, der mithilfe innovativer PLM-Software-Tools entstanden ist.

Für jede einzelne Veranstaltung werden rennspezifische Teile benötigt. Manchmal liegt aber nur eine Woche zwischen den Wettbewerben, und Streckentests, auf denen neue Komponenten getestet werden können, sind durch das Reglement begrenzt. Laut Matt Cadieux, Chief Information Officer bei Red Bull Racing, ist die größte Herausforderung das Tempo, mit dem all diese Anforderungen umgesetzt werden müssen. „Wir haben einen aggressiven und zunehmend komplexen Entwicklungszyklus ohne jegliche Pause vor, während und nach der Saison. Darüber hinaus steigt die Zahl der Veränderungen, die wir am Design vornehmen, von Jahr zu Jahr. Derzeit sind es zwischen den Rennen bis zu 1.000 Änderungen pro Woche.“

 

Doch das Red-Bull-Racing-Team wächst an den Herausforderungen. Es steht regelmäßig auf dem Siegertreppchen und kann eine Rekordzahl an Erfolgen in der Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft vorweisen. Grundlage dafür ist die Plattform der NX- und Teamcenter-Software des PLM-Portfolios. Dieses digitale Rückgrat erlaubt es dem Red-Bull-Racing-Team, reibungslos zusammenzuarbeiten, Prozesse kontinuierlich zu verbessern und, falls nötig, auch neue Tools zu integrieren.

Der kritische Frontflügel

Der Frontflügel ist ein Paradebeispiel für die Herausforderungen, vor denen das Team steht: „Der Frontflügel ist das erste Teil des Autos, das mit Luft in Berührung kommt, und unser Ziel ist es natürlich, jeden Aspekt des Luftstroms zu kontrollieren“, erklärt Cadieux. „Der Frontflügel besteht deshalb aus mehreren miteinander verbundenen Flächen, die einen Effekt erzeugen, so, als hätte das Fahrzeug mehrere Frontflügel. In dieser extrem komplizierten Geometrie erfüllt jede kleine Fläche ihren Zweck.

„Wir haben einen aggressiven und komplexen Entwicklungszyklus ohne jegliche Pause vor, während und nach der Saison."
Matt Cadieux, CIO Red Bull Racing

„Der vordere Flügel besteht aus achtzig Einzelelementen, aber auch das ist nur die Spitze des Eisbergs“, fügt Cadieux hinzu. „Um einen neuen Frontflügel zu bauen, müssen wir rund 800 verschiedene Komponenten herstellen. Dazu gehören Modelle und Formen für Verbundplatten, Vorrichtungen für die Montage und für Tests. Unsere PLM-Tools ermöglichen es uns da, effizient zu arbeiten und sicherzustellen, dass alle Komponenten rechtzeitig geliefert werden.“

Aerodynamisches Design für den Windkanal

NX wird beispielsweise verwendet, um Teile zu entwerfen, mit denen der Frontflügel während der Verklebung fixiert wird, während Konstrukteure an der Karosserie, Mechanik oder Elektronik des Rennwagens arbeiten. Zeichnungen, die in NX für die Fertigung, Montage und Logistik erstellt wurden, werden gemeinsam mit anderen Vorlagen, Vorgaben und Modellen in Teamcenter gespeichert, damit alle Benutzer auf dieselben Daten Zugriff haben. Da die Lieferkette wesentlich dazu beiträgt, die Anforderungen der Konstruktionsabteilung zu erfüllen, ist auch das Lieferantenmanagement in Teamcenter integriert.

NX integriert zudem die Programmierung, welche die Metallfertigung oder additive Fertigung steuert. CAD (Computer Aided Design) hilft, Modelle der Verbundteile zu entwerfen. Ihre Herstellung ist kompliziert. NX ermöglicht es den Mitarbeitern, den Prozess zu verfolgen und sicherzustellen, dass die Geometrien strikt eingehalten werden. Während der sich anschließenden Inspektionsphase werden NX-3D-Daten verwendet, um die Abmessungen abermals zu überprüfen. NX wird außerdem für Diagramme verwendet, die anzeigen, wo sich Kratzer oder Dellen befinden. Sind all diese Produktionsschritte abgeschlossen, werden die Teile des Frontflügels lackiert. Bei der anschließenden Montage nutzen die Mechaniker ein visuelles Modell des Rennwagens, um das komplette Design stets im Auge zu haben.

Intelligente Entscheidungen, Schnelligkeit und Stabilität

Als Red Bull Racing gegründet wurde, bestand eine Priorität darin, Kreativität und ein für neue Ideen offenes Denken nicht durch Produktionsprozesse einzuschränken. Gleichzeitig wuchs über die Jahre der Bedarf, diese Prozesse klar abzubilden und zu kontrollieren – und so dem wachsenden Team auch weiterhin zuverlässig die Möglichkeit zu bieten, erfolgreich zusammenzuarbeiten.
 

„Unsere langjährigen Partner von Siemens PLM-Software verstehen, wie unser Unternehmen denkt und welche Anforderungen der Rennsport stellt“, sagt Cadieux. „Die Siemens PLM-Software-Tools geben uns genau das, was wir brauchen: effiziente Prozesse, die es ermöglichen, schnell auf die richtigen Informationen zuzugreifen, kluge Entscheidungen zu treffen, Zeit zu sparen und unsere Ressourcen sinnvoll einzusetzen.“

Die Service-Mitarbeiter von Siemens PLM-Software sind in Red Bull Racing erfolgreich integriert. Das Siemens-Team deckt die tägliche Unterstützung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter und Schulung für neue Tools ab. Es hilft, geschäftliche wie technische Herausforderungen zu bewerten, und auch, neue Tools zu entwickeln. „Wir arbeiten nur mit Lieferanten zusammen, die das Beste liefern, und die PLM-Plattform von Siemens ist genau das“, sagt Cadieux. 

09.07.2018

Hubertus Breuer
Bildquellen: Red Bull Racing

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