Simulation statt Katheter
Bei Verdacht auf Erkrankungen der Herzkranzgefäße kombiniert die HeartFlow FFRCT-Analyse (CT-abgeleitete fraktionelle Flussreserve) numerische Strömungsmechanik und koronare CT-Angiographie, um Ärzten bei einer genauen Diagnose zu helfen. FFR-Werte konnten früher nur mithilfe einer Katheteruntersuchung erlangt werden, doch die FFRCT-Analyse liefert diese Information auf nicht invasive Weise. In einer Kooperation mit HeartFlow, dem Unternehmen, das FFRCT entwickelt hat, arbeitet Siemens daran, diese Technologie weiter zu fördern.
Engegefühle oder gar Schmerzen in der Brust und bei Bewegung schnell aus der Puste – wenn Patienten von diesen Symptomen berichten, klären Mediziner meist, ob Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen die Ursache sind. Die Ärzte nehmen solche Symptome sehr ernst, denn jährlich sterben weltweit rund sieben Millionen Menschen an den Folgen unbehandelter koronarer Herzkrankheiten1. Eine Möglichkeit, diese zu diagnostizieren, bietet die koronare CT-Angiographie. Mit diesem bildgebenden Verfahren können die Herzkranzgefäße dargestellt werden. Das bedeutet: Wenn der Arzt hier keine Verengungen sieht, ist es zu beinahe hundert Prozent sicher, dass es auch keine gibt.
Ausmaß der Verengungen mittels Katheter feststellen
Sind dagegen Ablagerungen darstellbar, wird als nächstes untersucht, in welchem Ausmaß sie den Blutfluss zum Herzmuskel beeinträchtigen. Um zu klären, ob eine Behandlung notwendig ist und wenn ja welche, bediente man sich bisher der invasiven FFR-Analyse (FFR steht für fraktionelle Flussreserve), die mittels eines speziellen Druckkatheters vorgenommen wird. Dabei misst eine über die Beinarterie in die Herzkranzgefäße geschobene Sonde den Druck vor und hinter der Stenose und setzt diese beiden Werte ins Verhältnis. Unterschreitet dieses Druckverhältnis einen bestimmten Wert, sollte die Stenose behandelt werden, beispielsweise mittels eines Stents.
Simulation als Alternative zur Katheteruntersuchung
Die HeartFlow FFRCT-Analyse bietet eine nicht invasive Alternative zu dieser Katheteruntersuchung. Das amerikanische Start-up nutzt die zuvor aufgenommenen CT-Bilder, um zunächst dreidimensionale Darstellungen der Arterien des jeweiligen Patienten zu extrahieren. Grundvoraussetzung hierfür ist ein CT-Scan von hervorragender Qualität. Erste klinische Anwendungen haben gezeigt, dass Scans, die mit einem Siemens Dual Source Scanner aufgenommen wurden, hohe Akzeptanzraten von 97 bis 99 Prozent für die HeartFlow FFRCT-Analyse haben2.
In dem personalisierten Arterien-Modell simulieren Computeralgorithmen dann mittels numerischer Strömungsmechanik den Blutfluss bei einem Patienten und bewerten so das Ausmaß der Beeinträchtigung durch Arterienverengungen. Solche numerischen Strömungsmodelle werden bereits seit einigen Jahren eingesetzt, beispielsweise in der Luftfahrt- und Automobilindustrie, wo sie eine kostengünstige Alternative zu Versuchen im Wind- oder Wasserkanal darstellen.
Katheteruntersuchungen werden drastisch reduziert
Die Simulation der FFRCT berücksichtigt die besonderen Fließeigenschaften menschlichen Bluts und kann so den Blutdruck berechnen. Dass die Werte der FFRCT-Analyse ebenso korrekt sind wie die einer invasiven FFR, konnte in drei großen klinischen Studien von 2011 bis 2013 nachgewiesen werden3. Eine vierte klinische Studie von 2016 wies außerdem nach, dass die Zahl der unnötigen Katheteruntersuchungen von 73 auf 12 Prozent verringert werden konnte, wenn FFRCT mit in den Entscheidungsprozess aufgenommen wurde.4 Das Verfahren ist bereits in den USA, in Deutschland und in vielen weiteren Ländern zugelassen.
Im vergangenen Jahr starteten Siemens Healthineers und HeartFlow eine Kooperation, um Ärzten einen integrierten Zugang zu dieser neuen Technologie zu ermöglichen. Diese Kooperation beschränkt sich zunächst auf die USA, soll aber bald auch auf andere Länder ausgedehnt werden. Daten können so einfacher an HeartFlow gesendet und die fertigen Analysen empfangen werden. Dies geschieht mittels einer Cloud-zu-Cloud-Datenübertragung im Siemens Healthineers Ökosystems, einer sicheren und etablierten IT-Umgebung. Mit diesem nächsten Schritt hin zu einem digitalisierten Gesundheitswesen sparen Kliniken und Arztpraxen in erheblichem Umfang Zeit und Kosten, zwei wichtige Faktoren in der Medizin.
1 http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs317/en/
2 Nørgaard, et al. JACC Cardiovasc Imaging. 2017 May; 10(5):541-550.
3 Nørgaard, et al. J Am Coll Cardiol. 2014.; Min, et al. JAMA. 2012.; Koo, et al. J Am Coll Cardiol. 2011.
4 Douglas, et al. Eur Heart J. 2015.
10.10.2018
Katrin Nikolaus
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