Überall digitale Zwillinge

Blick ins Jahr 2030: Internationale Experten prognostizieren die Rolle der digitalen Zwillinge in zehn Jahren.

Internationale Experten aus Industrie und Forschung wagen eine Vorhersage, welche Rolle digitale Zwillinge 2030 in der Welt spielen werden. Kernprognose: Sie werden wohl noch viel wichtiger als heute. 

Es sind virtuelle Spiegelbilder der technischen Welt: Digitale Zwillinge. Sie erlauben schon heute, Varianten neuer Produkte am Rechner durchzuspielen,  den laufenden Betrieb ganzer Fabriken durchzuspielen und sie helfen Servicetechnikern, Wartung oder Reparatur einzuüben. Doch das Potenzial der Doppelgänger ist damit längst nicht ausgeschöpft.

Bis ins Jahr 2030 werden digitale Zwillinge in unserer Welt wohl omnipräsent sein. Technische Produkte werden serienmäßig mit ihnen ausgeliefert, Menschen im Beruf wie privat mit ihnen interagieren. Sie werden auf eigens für sie geschaffenen Marktplätzen gehandelt. Mehr denn werden sie ermöglichen, das Optimum von Produktion oder Maschinen zu erreichen, egal, ob es um Kosteneffizienz, Produktivität oder Nachhaltigkeit geht. Und sie werden schließlich auch vertrauenswürdiger Standard für die Prüfung und Zertifizierung technischer Lösungen.

Soweit die Sicht von Experten von Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus aller Welt, die Siemens Simulation & Digital Twin-Technologen zur Zukunft des Digitalen Zwillings ausführlich befragte. Die Ergebnisse fasste Siemens in einem Whitepaper zusammen, das (siehe unten) verfügbar ist.

 

SimulationAndDigitalTwin2030
Digital twin of a motor

Simulation & Digital Twin  2030 - Ein technologischer Ausblick

Meinungen - von Experten aus Forschung und Industrie - zusammengefasst in einem Siemens-Whitepaper.

Umsätze im hohen zweistelligen Milliardenbereich

Es war die NASA, die in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts erstmals Kopien – eben Zwillinge – von Weltraumkapseln schuf, um sie am Boden studieren und testen zu können, während das Gegenstück sich auf großer Fahrt im Weltall befand. 2002 entwickelte der Computerwissenschaftler Michael Grieves an der University of Michigan die Idee, ein Produkt während seines Lebenszyklus virtuell abzubilden; 2011 prägte er zudem den Begriff „digitaler Zwilling“. 

Der Gartner Report erhob die virtuellen Doppelgänger 2017 zu einem der wichtigsten technologischen Trends, angetrieben von der Fahrzeug-, Raum- und Luftfahrtindustrie. Seither wird der digitale Zwilling immer öfter eingesetzt – und von Experten als selbstverständliches wie unverzichtbares Teil unserer Zukunft gesehen. Einschlägige Marktanalysten spiegeln diese Sicht – sie erwarten Umsätze im hohen zweistelligen Milliardenbereich.

Die Experten der Siemens-Studie prognostizieren für das kommende Jahrzehnt folgende wesentliche Entwicklungen:  die Kombination von Simulation und Künstlicher Intelligenz gewinnt Bedeutung, digitale Zwillinge sind überall, virtuellen Doppelgänger werden zur Ware, und ohne Standards geht gar Nichts.

Kombination von Simulationsmodellen und Künstlicher Intelligenz:

TKernbestandteil eines digitalen Zwillings ist ein Simulationsmodell, das das Produkt- oder Systemverhalten erfasst und bislang in der Regel auf physikalischen Modellen basiert. In Zukunft werden aber wohl immer öfter Simulationsmodelle genutzt, die auch Künstlicher Intelligenz (KI) verwenden  –nämlich genau dann, wenn ein physikalisches Modell allein nicht ausreicht oder nicht gefunden werden kann. So kann zum Beispiel KI helfen, die Restnutzungsdauer eines Elektromotors vorherzusagen, indem sie Zusammenhänge zwischen Sensordaten und Abnutzung erschließt. Conversely, simulation models can also help to improve AI approaches when large data sets are not available to train AI, for example to simulate flows in a gas turbine. 

 

Digitale Zwillinge werden omnipräsent sein

In der industriellen Produktion, so vermuten die Experten, werden digitale Zwillinge durchgängig eingesetzt werden . Alle relevanten Informationen einer Stufe im Lebenszyklus eines Produkts – etwa des Designprozesses – können so reibungslos zur nächsten Stufe – wie der Produktion – transferiert werden.  Das Product Lifecycle Management (PLM), vom Design bis zur Weiterverwertung, wird so effizienter. Gleichzeitig hilft es, etwa in Zeiten einer Pandemie das Supply Chain Management (SCM) sicherer zu gestalten, zudem rasch auf Probleme wie Lieferengpässe oder wandelnde Nachfrage zu reagieren.

Doch nicht nur in der Produktion, auch in Netzwerken von Unternehmen, die Produktionsanalagen managen, oder den Smartphones von Nutzern, die mit einem Zwilling die Energiebilanz ihres Hauses verbessern, werden digitale Zwillinge allgegenwärtig sein. Oder natürlich auch in der Cloud, wo beispielsweise anonymisierte Daten eines Fahrzeugmodells helfen, Schwachstellen an einem Kugellager im Langzeitbetrieb zu identifizieren.

Digitale Zwillinge werden gehandelt

Weil digitale Zwillinge selbst zu einem wertvollen Gut werden, sollten bis 2030 rings um den virtuellen Doppelgänger neue Geschäftsmodelle entstehen. Die befragten Experten erwarten, dass es eigene Marktplätze für digitale Zwillinge geben wird, ebenso wie heute für CAD-Modelle. Besonders innerhalb bestimmter Industriebranchen sollten sich diese Handelsplattformen etablieren. 

Standards sind zentral für den Erfolg von digitalen Zwillingen

Voraussetzung für den Einsatz, Wiederverwendung und auch Handel mit digitalen Zwillingen sind natürlich industriespezifische Standards. Sie ermöglichen es Marktteilnehmern, effizient zu kooperieren; deshalb wird Standardisierung der wichtigste Motor der Entwicklung digitaler Zwillinge sein.

Standards sollten bis 2030 auch zu Online-Plattformen führen, mit denen sich digitale Zwillinge einfach erstellen lassen. Und das geht voraussichtlich Hand in Hand mit Digital-Twin-Betriebssystemen, die selbst Planungen komplett neuer Anlagen ermöglichen.

Die wichtigste Zutat

All das würde indes nie Realität ohne eine wichtige Zutat: Vertrauen. Vertrauen, dass die digitalen Zwillinge die technische Welt akkurat abbilden und uns erlauben, Technik erfolgreich zu nutzen Doch da hegen die befragten Experten keinen Zweifel. Mehr noch, sie gehen davon aus, dass bis 2030 technische Lösungen, die mit der Unterstützung digitaler Zwillinge entwickelt oder betrieben wurden, mehr Vertrauen genießen werden als solche, die sie nicht einsetzen.

Hubertus Breuer, Juli 2020

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