Simulations-Sprint für Hardware

Siemens Forscher arbeiten daran, die Entwicklung von leistungselektronischen Bauteilen komplett im digitalen Raum zu simulieren. Ein entscheidender Durchbruch, denn er macht die Entwicklung von Hardware nahezu so schnell wie die von Software. Zudem wird die Effizienz von Systemen und Geräten, die leistungselektronische Bauteile enthalten, gesteigert – ein geschäftsentscheidender Faktor.

 

Sandra Zistl

Leistungselektronik steckt in der Photovoltaik, in Windrädern, der Elektromobilität, der Anlagensteuerung und sogar in jedem Netzteil, das wir zu Hause haben. Ohne sie würden viele Bereiche unseres Lebens nicht funktionieren. Als entscheidendes Element in Umrichtern lässt sie die Dinge im Großen wie im Kleinen laufen. Die ständige Verbesserung der Leistungsfähigkeit von elektronischen und mechatronischen Systemen war für Randolf Mock, Projektleiter im Bereich ELM der Corporate Technology, ein zentrales Thema. Im November 2018 ist Randolf Mock überraschend verstorben.

 

Dass er besonders begeistert von diesem Thema sprach, lag daran, dass ihm zusammen mit einem länderübergreifenden Team aus verschiedenen Research Groups ein entscheidender Schritt auf dem Weg in eine noch vielversprechendere Zukunft gelungen ist. Das Team wird auch in seinem Andenken die technologischen Erfolge fortführen. Das Versprechen besteht darin,  aus den „Power Electronics“ – die auf Englisch ohnehin schon so dynamisch klingen –  noch mehr Power herauszuholen und die Entwicklung von Hardware ins Digitale zu verlagern. Das ist ein Sprung in eine komplett andere Welt. Das Schlüsselwort dafür lautet Simulation. 

Integration von neuen Partnern

Zwar wird bereits seit Jahrzehnten simuliert, wie sich Leistungsumrichter in einem konkreten Umfeld verhalten, jedoch ist dies nicht über den kompletten Entwicklungsprozess hinweg möglich. „Uns war klar, dass es eines Tages geschäftsentscheidend sein wird, digitale Tools zu haben, bei denen ich vorne Daten einspeise, und hinten purzeln Kompaktmodelle für die Simulation des Layouts von Platinen und Schaltungen heraus“, erzählte Randolf Mock. Beispielweise die Kombination der CAD-Daten eines Kühlkörpers mit dem elektrischen Design einer Leiterplatte habe bisher noch Probleme bereitet. Das war „nur über sieben Ecken möglich und mühsam“.

"Heute haben wir die Chance, das zu realisieren und gegenüber der Konkurrenz vorneweg zu preschen."

Mit der Integration von NX und Mentor ins Portfolio von Siemens können diese Lücken geschlossen werden. Dafür mussten unterschiedliche Software-Welten zusammengebracht werden. Als Demonstrationsbeispiel hat sich das Expertenteam im Projekt die SITOP PSU 8600 vorgenommen, ein leistungselektronisches Standardnetzteil der Industrieautomatisierung. Diese neue Generation sollte digital geregelt werden können und damit effizienter sein. „Das Team hat die Entwicklung aufgedröselt in Fragestellungen, die wir mit Programmen von NX und Mentor bearbeiten können“, berichtete Mock. 

Vor fünf Jahren undenkbar – heute ein Wettbewerbsvorteil

Das Ergebnis ist erstaunlich. Die Simulationskette kann geschlossen werden. Es können jetzt über sogenannte Zustandsraummodelle auch die Wechselwirkung zwischen Temperatur, Mechanik, Elektrik und letztendlich der Leistung des Geräts simuliert werden. Mit diesem differenzierten Wissen lässt sich die Effizienz von Leistungselektronik noch besser ausreizen.

 

Vor fünf Jahren hätte man laut Mock gar nicht überlegen brauchen, ob so etwas simulativ möglich ist. „Es war undenkbar. Heute haben wir die Chance, das zu realisieren und gegenüber der Konkurrenz vorneweg zu preschen, denn die Wärmeentwicklung in leistungselektronischen Schaltungen ist ein Schlüsselthema.“ Die Optimierung von Umrichtern in punkto Effizienz bei Garantie ihrer vorgesehenen Lebensdauer sei „eine ziemlich sportliche Herausforderung“. Die Hauptaufgabe sei es deshalb, die Wärme aus den Geräten herauszubekommen. 

„Wir nähern uns durch die Simulation bei der Entwicklung von Hardware der Geschwindigkeit der Entwicklung von Software an."

Digitalisierung der Hardware-Entwicklung

Der in Reichweite gerückte Durchbruch ist ein wichtiger Schritt hin zur Virtualisierung der Hardware-Entwicklung, dem laut Ludger Meyer „entscheidenden Schritt beim Thema Digitalisierung“. Meyer leitet das Technologiefeld Electronics and Mechatronics der Corporate Technology. Bei Software, erklärt er, werde von sogenannten Sprints gesprochen. Das sind kurze Entwicklungszyklen, nach denen jeweils Zwischenergebnisse gesichtet werden – eine sehr agile Vorgehensweise. Bei Hardware hingegen müssten oft noch Teile in der Realität aufgebaut und durchgemessen werden.

 

„Wir nähern uns durch die Simulation bei der Entwicklung von Hardware der Geschwindigkeit der Entwicklung von Software an. Somit ist das von hoher Relevanz für unser Geschäft“, sagt Meyer. Vor allem, da man diese Fragenstellungen mit Siemens-eigenen Tools exzellent bearbeiten könne. „Comprehensive Simulation Tool Chain for Power Electronics”, lautet der Arbeitstitel der neuen, digitalen Workflows.

 

Die Explorationsphase ist jetzt abgeschlossen. Im nächsten Schritt sollen die neuen Erkenntnisse in einer durchgängigen Toolkette mit den Siemens-eigenen Design- und Entwicklungstools integriert werden. 

17.12.2018

Sandra Zistl

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