Beamen und schrauben und Spaß haben
Virtual Reality-Schulungen sind intuitiv und einprägsam. Gut, wenn man sie schnell selbst erstellen kann.
Schulungen im virtuellen Umfeld – meist mit VR(virtual reality) -Brille – sind schon heute beliebt. Sie erlauben zum Beispiel Service-Technikern Schulungen für große Anlagen jederzeit, ortsunabhängig und eingängig zu absolvieren. Bislang war es allerdings sehr aufwändig, sie zu erstellen. Eine neue VR-Plattform macht das jetzt einfacher, schneller und preiswerter – und erlaubt, diese Inhalte auch für Augmented Reality zu verwenden.
Wird ein Servicetechniker im Rahmen einer geplanten Wartung das erste Mal mit dem Lagerwechsel für einen neuen Typ Elektromotor konfrontiert, ist nicht sofort ersichtlich, in welcher Reihenfolge dieser zu demontieren ist. So müssen zahlreiche Kabel‚ Schrauben, Sensoren und Abdeckungen entfernt werden bis die Lager selbst an der Reihe sind. Dabei ist jedes Produkt anders und besonders bei den großen und leistungsstarken zudem oft Spezialwerkzeug nötig.
Bislang werden diese virtuellen Schulungen meist von Agenturen in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen angefertigt. Dabei folgen sie einem Schritt für Schritt genau festgelegten Drehbuch, das den gewünschten Arbeitsprozess nachvollziehbar macht – etwa für den Aufbau, Wartungs- oder Reparaturarbeiten.
Das ist indes keine optimale Lösung. Die von der Agentur erstellten Schulungen sind kostspielig und nehmen viel Zeit in Anspruch. Nachträgliche Änderungen und Anpassungen lassen sich nur mit hohem Aufwand umsetzen. Deshalb hat Siemens Digital Industries zusammen mit der Siemens Corporate Technology die Virtual- und Augmented Reality Plattform ‚V@rena‘ entwickelt, die es Unternehmen ermöglicht, flexibel und vor allem eigenständig VR-Schulungen zu erstellen.
Schulung vom Experten selbst erstellt
Mit V@RENA kann ein Experte basierend auf seinem Wissen selbstständig Anweisungen erstellen, in dem er mit dem ihm vertrauten Produkt in Virtual Reality interagiert“, sagt Anja Simon, Programmmanagerin bei Siemens Corporate Technology. „Darüber hinaus kann er die Inhalte im Handumdrehen bei Bedarf anpassen, falls sich beispielsweise Produkte oder Prozeduren ändern.“
Die Erstellung selbst nimmt nicht viel Zeit in Anspruch: Das Team um Georg Schöler vom Customer Services bei Siemens Digital Industries hat die Erfahrung gemacht, dass ein geübter Nutzer der V@RENA-Plattform ein Training für ein Standard-Produkt in wenigen Stunden fertigstellen kann. Benötigt werden dazu Computer Aided Design (CAD)-Modelle, das Detailwissen von Experten und bei Bedarf Videos oder Fotos. „Dann haben Sie einen digitalen Zwilling der gesamten Serviceprozedur “, so Georg Schöler, „mit allen relevanten Informationen an einer Stelle.“
Brille auf und Erfahrungen sammeln
Sobald der Nutzer eine handelsübliche VR-Brille aufsetzt, beginnt seine Reise durch virtuelle Welten. Sofern es seine reale Umwelt hergibt, können diese gehend erkundet werden; ist sein Arbeitsplatz nicht groß genug, kann er sich einfach per Klick an die gewünschte Stelle beamen. Und dann kann er mit den lebensgroßen 3D-Modellen diverser Produkte intuitiv interagieren.
Für die Erstellung einfacher Schritt-für-Schritt-Anleitungen reicht es aus, dem Nutzer zu ermöglichen, einzelne Objekte zu ergreifen und an eine gewünschte Position zu versetzen. Komplexere Tätigkeiten können durch zusätzlich eingeblendete Informationen in Form von Bildern, Videos, Anleitungen oder Audiokommentaren von Experten konkretisiert werden. Auf diesem Wege bekommen Trainees Zugriff auf den Erfahrungsschatz erfahrener Kollegen und können neue Prozeduren erlernen. Zusätzlich sorgt die realistische Interaktion dafür, dass sich Inhalte besser einprägen. „Und, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann,“ sagt Anja Simon, „macht Lernen in so einer Umgebung durchaus sehr viel Spaß.“
Augmented Reality auf dem Tablet
V@RENA erlaubt es außerdem, diese Inhalte ohne zusätzlichen Aufwand auf AR-Geräten zu nutzen, wie etwa iOS Tablets oder der HoloLens. Dabei erkennt eine AR-App mit der Kamera des Tablets die Maschinen bzw. Bauteile, projiziert Hinweise auf das reale Produkt und leitet so den Servicetechniker an, wie für eine bestimmte Aufgabe vorzugehen ist. Die App erlaubt auch, Fotos aufzunehmen oder Anmerkungen hinzuzufügen, die sich später wiederum in die VR-Schulungen integrieren lassen. „Service Experten haben also ein Tool, das sie nicht nur vor Ort unterstützt, sondern mit dem sie aktiv zur Verbesserung von Inhalten beitragen können“, sagt Georg Schöler.
Virtuelle Welt und Realität rücken also immer enger zusammen. Das führt soweit, dass Forscher bei Siemens Corporate Technology auf der Basis von V@rena inzwischen sogar Möglichkeiten erkunden, solche Schulungen für mehrere Teilnehmer gleichzeitig erlebbar zu machen. Das würde erlauben, dass sich ein Experte und ein Trainee in der virtuellen Realität treffen können, selbst wenn sie sich auf zwei verschiedenen Kontinenten befinden. Das wird dabei sicher nicht die berüchtigte Matrix, die Menschen mit der Wirklichkeit verwechseln könnten, sondern eher eine nützliche Matrix-Light-Version.
Hubertus Breuer - May 2020
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