Solarstrom dank Blockchain
Ins Netz gegangen: Das New Yorker Energieunternehmen LO3 Energy betreibt mit Hilfe von Siemens Digital Grid und dem Siemens-Start-up-Förderer next47 ein Microgrid in Brooklyn. Dort handeln Nachbarn auf einer Blockchain-Plattform mit Solarstrom. Das LO3-Projekt ist Vorreiter einer dezentralen, von grünen Energiequellen geprägten Energieversorgung.
Von Hubertus Breuer
An sonnigen Tagen läuft der Stromzähler von Martha Cameron oft rückwärts. Das hat einen einfachen Grund: Auf dem Dach ihres Brownstones, eines um 1900 erbauten Reihenhauses im idyllischen Brooklyner Stadtviertel Park Slope, findet sich eine Solaranlage. Wenn die Sonne kräftig scheint, kann Cameron den Strom aus den 18 Photovoltaikpaneelen nicht allein verbrauchen und speist ihn ins Netz zurück. Als sie die Anlage 2010 installierte, war sie noch Pionierin. Doch schon bald kamen in der von Spitzahorn und Platanen gesäumten Straße fünf weitere Häuser mit Solaranlagen hinzu.
Im April 2016 bezahlten Nachbarn ohne Photovoltaikanlage erstmals für deren überschüssigen, ins Stromnetz gespeisten Solarstrom. Mithilfe des in Brooklyn ansässigen Energie-Unternehmens LO3 Energy haben sie in Park Slope und in den benachbarten Vierteln Gowanus und Boerum Hill das „Brooklyn Microgrid“ gegründet. Möglich wurde dieses Projekt, weil es drei Komponenten in sich vereint: Die Blockchain-Plattform von LO3 Energy sichert die Transaktionen ab, die Siemens Digital Grid Division bietet die speziellen technischen Lösungen für derartige Microgrids, und der Start-up-Förderer von Siemens, next47, unterstützt potentiell disruptive Technologien, unter anderem im Bereich der Blockchain-Anwendungen, finanziell, mit Know-how und Projektexpertise.
Autarke Microgrids sind nicht nur für abgelegene Regionen wie Alaska wichtig, sondern auch für einen Großstadtdschungel wie New York.
Das Brooklyner Kleinststromnetz will aber nicht nur Ökostromhandel im Kleinen ermöglichen. Nach dem verheerenden Hurrikan Sandy von 2012 soll es in Kombination mit Batteriespeichern innerhalb des Microgrids beim nächsten Sturm zumindest temporär verhindern, dass die Lichter ausgehen. Und nach Möglichkeit soll eines Tages vor Ort der Stromverbrauch auf die Schwankungen der solaren Stromerzeugung abgestimmt werden – damit etwa der Elektrowagen nach Möglichkeit dann betankt wird, wenn die Sonne reichlich scheint und die Batteriespeicher prall gefüllt sind.
Blockchain mit großem Potential
Autarke Microgrids spielen eben nicht nur in abgelegenen Regionen wie Alaska eine wichtige Rolle, sondern auch in einem Großstadtdschungel wie New York. In einem wachsenden Energiemarkt dezentraler Energiesysteme – basierend auf Wind, Solar, Wasser oder Biomasse – gewinnen Microgrids immer mehr an Bedeutung. In diesem Umfeld profitiert das Start-up LO3 Energy von Siemens’ Entwicklung von Microgrids – etwa seit 2014 im bayrischen Wildpoldsried. Dazu gehören Netzsteuerung, Schaltelemente, innovative Batterielösungen und intelligente Stromzähler.
Aber auch für die Siemens Energy Management Division ist die Kooperation ein Gewinn, basiert die „“ Blockchain-Handelsplattform von LO3 doch auf der innovativen und für das Unternehmen sehr interessanten Blockchain-Technologie: ein dezentrales, webbasiertes Buchhaltungssystem, das Daten dank Kryptographie-Technik fälschungssicher und kostengünstig abspeichert. Sprich: Blockchain ist im Grunde ein dezentrales Protokoll für Transaktionen zwischen Parteien, das jede Veränderung transparent erfasst. So lässt sich beispielsweise sicherstellen, dass man ein Originalersatzteil erhält, da sich seine Herkunft mithilfe eines RFID-Chips und Blockchain lückenlos zurückverfolgen lässt – eine von mehreren Anwendungen, die auch für Siemens interessant sind.
Microgrids gehört die Zukunft. Hierbei hilft auch Blockchain, da es den Stromhandel zwischen den einzelnen Zellen immens vereinfacht.
Die sogenannten Peer-to-Peer-Geschäfte – also direkt von Computer zu Computer –, die durch die Blockchain-Technologie implementiert werden können, versprechen insbesondere niedrigere Transaktions- und Handelskosten. Das Potential der Technologie ist somit groß: Via Blockchain verwaltete Vermögenswerte belaufen sich heute weltweit auf 1,6 Milliarden Dollar, das Wachstum zwischen 2013 und 2016 betrug laut der Kryptowährungs-Plattform „Coinmarketcap“ satte 1600 Prozent. Zudem sind, laut Seamus Cushley, Blockchain-Experte bei PricewaterhouseCoopers in Belfast, allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 1,4 Milliarden Dollar in Start-ups aus der Blockchain-Szene geflossen.
Ein Verbund von Energiezellen
Damit die Blockchain-Plattform und Microgrids erfolgreich sein können, braucht es auch regulatorische Rahmenbedingungen. Im US-Bundesstaat New York sorgt dafür das Programm „Reforming the Energy Vision“ (REV). Ziel ist es, die Anfälligkeit der Energieversorgung zu minimieren, die während des Hurrikans Sandy offensichtlich wurde, mehr erneuerbare Energiequellen zu nutzen und Kosten zu senken. Da ist das Brooklyn Microgrid ein gutes Testfeld. „Ein Microgrid ist ein Nukleus, der einer Energiezukunft aus Verbünden von Energiezellen den Weg bereitet“, sagt Stefan Jessenberger von der Energy Management Division bei Siemens. „Hierbei hilft auch Blockchain, da es den Stromhandel zwischen diesen Zellen immens vereinfacht.“
Siemens Digital Grid, next47 und LO3 Energy glauben an das Potential Blockchain-basierter Microgrids. Denn überall, wo Energiequellen dezentral organisiert sind, lässt sich die Technologie einsetzen. „Die Erfahrungen mit dem ‚Brooklyn Microgrid‘ fließen zweifellos in die nächsten Projekte ein“, so Kessler. Martha Cameron ist indes schon heute auf das Erreichte sehr stolz: „Wir sind Stromlieferanten.“
16.02.2018
Von Hubertus Breuer
Bildquellen: alle Bilder LO3 Energy
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