Nachhaltiger Straßengüterverkehr

Wie elektrische LKW Langstrecken bewältigen und klimafreundlich Güter transportieren können

15 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2025, 30 Prozent weniger bis 2030: Das sind die Vorgaben der Europäische Union für den Straßenverkehr. Ein Whitepaper von Siemens präsentiert zwei technische Lösungen – eine Ladeinfrastruktur aus dem Bereich Future Grids und den eHighway von Siemens Mobility –die entscheidend dazu beitragen können, dieses Ziel zu erreichen. Schwere Nutzfahrzeuge sollen in Zukunft, wenn möglich, mit elektrischen Antrieben fahren. Eine geeignete Infrastruktur macht es möglich, dass solche Fahrzeuge den CO2 -intensiven Diesel-Verbrennern in nichts nachstehen. 

Hamburg-Nürnberg, eine 610 Kilometer lange innerdeutsche Strecke über die Bundesautobahnen A1, A7, A70 und A7321. Eine Strecke, die für Fahrer von schweren Lkw innerhalb eines Tages zu bewältigen ist. Wenn der Tank leer zu werden droht, tanken sie an Rastanlagen entlang der Strecke Dieselkraftstoff nach.

Was bislang weltweit funktioniert, wird innerhalb der Europäischen Union (EU) in wenigen Jahren nicht mehr in dieser Form möglich sein. Denn schon für das Jahr 2025 gibt die EU mittels verbindlicher Verordnung vor, den Ausstoß von Kohlendioxid im Straßenverkehr um 15 Prozent zu senken. Im Jahr 2030 müssen es bereits 30 Prozent Reduktion sein – und für die Mitte des Jahrhunderts strebt die Union die Kohlenstoffneutralität an. Der konventionelle Dieselantrieb passt nicht dazu.

Aktuell werden unterschiedliche alternative Antriebstechnologien entwickelt und diskutiert. Denn trotz der Bemühungen, mehr Güter über die elektrifizierte Schiene zu transportieren, gehen Experten davon aus, dass sich die Zahl der Nutzfahrzeuge auf Straßen nicht verringern, sondern erhöhen wird. Für Deutschland beispielsweise prognostiziert das Öko-Institut, dass in Zukunft trotz Verlagerung auf Schiene und Schiff immer noch mehr als die Hälfte der Güterverkehrsleistung per LKW auf der Straße erfolgen wird. Ohne Verbesserungen bedeutet das: Mehr Emissionen statt weniger.

EmissionsfreierGüterverkehr

Rund 25 Prozent des vom Straßenverkehr in der EU emittierten Kohlendioxids stammt von einer vergleichsweise geringen Anzahl an Fahrzeugen, den schweren Nutzfahrzeugen, also Lastkraftwagen und Bussen. „Hier besteht also Potenzial, den CO2-Ausstoß zu mindern“, sagt Martin Kullmann, Director bei Connected eMobility.

„Gemeinsam mit Kollegen aus anderen Siemens-Bereichen – Future Grids von Smart Infrastructure und den eHighway-Kollegen von Mobility – haben wir ein  Whitepaper erarbeitet, das zeigt, wie das schwer Lösbare schon heute lösbar ist: Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs auf Langstrecken und damit eine emissionsfreie Zukunft.“

 

Energiezufuhrunterwegs

Die Siemens-Forscher argumentieren, dass der elektrische Antrieb Energie am effizientesten nutzt, denn er hat einen hohen Wirkungsgrad und es entstehen keine zusätzlichen Umwandlungsverluste . Allerdings stelle der elektrifizierte Schwerlastverkehr auf Langstrecken die Batterietechnik vor große Herausforderungen.  „Aktuell in Entwicklung befindliche, schwere eLkw werden voraussichtlich Reichweiten von 500 und mehr Kilometern haben, bis sie wieder aufgeladen werden müssen. Auf längeren Strecken muss den Fahrzeugen also unterwegs zusätzliche Energie zugeführt werden“, erklärt Kullmann. „Von dieser Prämisse ausgehend, haben wir zwei Szenarien erarbeitet, wie sich  die Strecke Hamburg-Nürnberg mit verfügbaren Siemens-Technologien ausbauen ließe.“

DerLadepark einer nahen Zukunft

Im ersten Szenario wird der Einsatz einer Gelegenheits-Schnellladeinfrastruktur dargestellt. „Schon heute bietet Siemens Technologien für das Laden von großen Nutzfahrzeugen im Depot, zum Beispiel Steckerlader mit flüssigkeitsgekühltem Kabel und Stecker mit Stromstärken bis 400 Ampere“, sagt Marcel Rümenapf, verantwortlich für das Account Management bei Future Grids. „Je höher die Ladeleistung, desto schneller können Batterien geladen werden. Auch große Lkw--Batterien lassen sich so innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Ruhezeit von 45 Minuten, während der der Lkw ohnehin steht, ausreichend nachladen.“ Dieses Schnellladen will Siemens zukünftig nicht nur im Depot, sondern auch für elektrische Lkw ermöglichen, die auf der Langstrecke unterwegs sind. Stromtanken wird so nicht mehr zur stundenlangen Zwangspause. „Die Branche muss ihre Kräfte nun bündeln und einheitliche Lösungen für den Nutzer präsentieren“, betont Rümenapf. „Dafür arbeiten wir eng mit Fahrzeugherstellern und Partnern zusammen, unter anderem in Standardisierungsgremien.“

Für die beispielhafte Visualisierung eines Ladeparks wurden die zu erwartenden Anforderungen im Jahr 2030 als Basis verwendet: Der Ladepark der Zukunft verfügt über mehr als fünf Ladestationen mit einer Ladeleistung von deutlich über 350 Kilowatt. Zusätzlich bietet er an zwei Stationen Ladeleistungen von bis zu über einem Megawatt an – auch in Form von robotisch unterstützen Systemen. Diese erleichtern die Handhabe der großen Stecker und der schweren Kabel und erhöhen die Sicherheit beim An- und Abstecken. Ein Teil der auftretenden Spitzenlasten im Energiebedarf durch gleichzeitig ladende elektrische LKW wird kurzfristig über stationäre Batteriespeicher und Photovoltaik abgefangen. Damit ermöglicht man den Betreibern der Ladeparks durch intelligentes Lastmanagement Einsparungen bei den Netzanschlusskosten. 

Dynamische Energieversorgung über Oberleitungen

Im zweiten Szenario wird die Implementierung eines Siemens Mobility eHighway skizziert: Hier docken sich hybride oder batterieelektrische Lkw mittels Pantographen – also ähnlich wie eine elektrifizierte Eisenbahn – während der Fahrt automatisch an Oberleitungen an, die sich auf stark frequentierten Streckenabschnitten befinden. Das Fahrzeug erhält während der Fahrt elektrische Energie – für den aktuellen Antrieb und zum Nachladen der Batterie. Auch Überholvorgänge sind damit möglich. Natürlich kann die Straße gleichzeitig auch von Autos befahren werden, die die Oberleitung nicht nutzen. Die Technologie hat sich bereits in mehreren Pilotprojekten weltweit bewährt.

„Wir haben unsere Expertise im Bereich der Bahnelektrifizierung genutzt und eine zukunftsfähige Lösung für die Straße entwickelt“, sagt Hasso Grünjes, Head of eHighway. Die Stärke des eHighway liege darin, dass die Effizienz elektrischer Eisenbahnen mit der Flexibilität von Lkw zu einem nachhaltigen Straßengütertransportsystem verbunden werde. Der Einsatz von hybridisierten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren erlaube eine schnelle Einführung des Systems. „Wenn eHighway auf den klassischen Langstreckenrouten verfügbar ist, dann löst sich hier das Reichweitenproblem der batterieelektrischen LKW. Denn solange das Fahrzeug mit der Oberleitung verbunden ist, bleibt die Batterie geladen, beziehungsweise kann sogar nachgeladen werden.“

Beide Lösungsansätze, die in dem Siemens-Whitepaper vorgestellt wurden, sind Weiterentwicklungen bereits bewährter Technologien. Passende Rahmenbedingungen vorausgesetzt, könnten sie in kurzer Zeit großflächig eingesetzt werden und so dazu beitragen, die CO2-Emissioen deutlich zu senken. 

In der beispielhaften Visualisierung einer Oberleitungsstrecke spannt sich eine durch das Mittelspannungsnetz gespeiste Oberleitung entlang der Autobahn auf. Das Unterwerk1 ist ausgestattet mit Mittel- und Gleichspannungsschaltanlage, Leistungstransformatoren, Gleichrichter und gesteuertem Wechselrichter.

Die abgerufene Leistung ist abhängig von den Antriebstechnologien der Lkw, der Größe der verbauten Batteriespeicher und der Auslastung der Strecke. Technisch ist es möglich, über 350 Kilowatt auf das Fahrzeug zu übertragen, wovon ein Teil für das Nachladen der Batterie während der Fahrt genutzt werden kann.

Zu Beginn des Ausbaus werden stark frequentierte Streckenabschnitte elektrifiziert und Schritt für Schritt zu einem überregionalen, nationalen und paneuropäischen Netz ausgebaut. Die Effizienz der Technologie steigt dabei mit der Größe des verfügbaren Netzes.

Forderungen an den Gesetzgeber

Das Whitepaper kommt zu dem Schluss, dass eine kombinierte Technologielandschaft mit stationären Ladepunkten entlang der Strecke und Oberleitungen zur dynamischen Energieversorgung während der Fahrt die wirtschaftlich und ökologisch attraktivste Variante für die Zukunft des Schwerlastverkehrs innerhalb Europas darstellt. Die Verfasser verbinden diese Aussage mit Forderungen: Schon jetzt müsse mit dem nationalen Aufbau und Ausbau einer leistungsfähigen Energieversorgungsinfrastruktur und der Netzanschlüsse entlang des Fernstreckennetzes begonnen werden. Der Gesetzgeber sei gefordert, dafür klare strategische und wirtschaftliche Impulse zu setzen.

Sandra Maria Wild - Januar 2021

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