Smart Cities: Feinstaubwächter fürs Büro

Feinstaub ist einer der problematischsten Luftschadstoffe, weil er schwere Atemwegserkrankungen auslösen kann. Experten von Siemens Building Technologies haben nun einen Sensor entwickelt, mit dem sich die Feinstaubkonzentration in Gebäuden präzise messen lässt. Der Sensor ist besonders für Regionen mit hohen Feinstaubwerten geeignet – China und Indien aber auch europäische Großstädte. Integriert in bestehende Gebäudeautomatisierungen kann so die Luftqualität in Gebäuden immens erhöht werden.

 

von Tim Schröder

Er entweicht aus Auspuffrohren, aus den Schornsteinen von Wohnhäusern und Kraftwerken und mit dem Qualm offener Feuer. Die Rede ist vom Feinstaub, einem der gefährlichsten Luftschadstoffe überhaupt. Umweltbehörden haben den Feinstaub schon seit vielen Jahren im Blick, weil er beim Menschen Lungenerkrankungen auslösen kann. Besonders problematisch sind die sehr kleinen Feinstaubpartikel von bis zu 2,5 Mikrometer Durchmesser – die als PM2.5 bezeichnet werden und mit der Atemluft oder auch beim Rauchen bis tief in die Lunge eindringen. Die Europäische Umweltagentur geht davon aus, dass jährlich allein in Europa mehr als 400.000 Menschen  an Lungenkrankheiten sterben, die durch PM2.5 ausgelöst werden.

 

Noch schlimmer ist die Situation in Schwellenländern wie China und Indien. Während in der EU heute Feinstaubrichtwerte von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gelten, ist die durchschnittliche Feinstaubbelastung dort in vielen Städten gemäß einem aktuellen Fachartikel im Medizinjournal Lancet durchschnittlich mehr als viermal so hoch. So überrascht es kaum, dass in China Feinstaubsensoren zu den vielverkauften Elektroartikeln für Privatkunden gehören. Für gewerbliche Gebäudeautomatisierungs-Systeme gab es solche Sensoren bislang aber so gut wie gar nicht. „Angesichts der extrem schlechten Luft in den chinesischen Großstädten hat Siemens China angeregt, einen solchen Sensor für die Integration in unsere Gebäudeautomatisierungs-Technik zu entwickeln“, sagt Jonathan Miles Copley, Marketing-Manager für Gebäudeautomatisierungs-Produkte bei Siemens Building Technologies (BT) im schweizerischen Zug. Seit kurzem ist dieser PM2.5-Sensor auf dem Markt.

Mehrere Feinstaubklassen messen

Der neue Sensor von der Größe einer Zigarettenschachtel wird an der Wand montiert und überprüft regelmäßig die Feinstaubbelastung der Raumluft. Dazu sitzt im Sensor ein kleiner Ventilator, der die Luft ansaugt. Mit einer Laserdiode, die die Lichtstreuung an den Feinstaubpartikeln misst, wird die PM2.5-Konzentration präzise erfasst. „Für die Messung der wichtigen PM2.5-Werte ist der Sensor geeicht. Darüber hinaus schätzt er die Konzentration von Feinstaub der Größenklasse PM10 ab“, erklärt Copley. Diese Partikel mit einem Durchmesser von bis zu 10 Mikrometer sind in etwa so groß wie allergieauslösende Pollen aber nicht ganz so gefährlich wie PM2.5. Für die Lunge sind sie dennoch belastend und werden deshalb mit erfasst. Die aktuellen Werte für die beiden Größenklassen zeigt der Sensor dann auf einem Display an – je nach Belastung in einer anderen Farbe. Zudem kann er die Werte über ein Datenkabel an das Gebäudeautomatisierungs-System schicken.

Unterstützung bei der Arbeit für bessere Luftbedingungen bekommt der Sensor von verschiedenen Applikationen, die die BT-Experten bereit stellen. Möglich wird dies durch die Integration des Sensors in die bestehende Gebäudeautomatisierungs-Technik. Der Sensor kann auch mit Luftreinigern verknüpft werden, wie sie in vielen Bürogebäuden in China bereits Standard sind. Die Geräte filtern die belastete Raumluft und leiten sie dann zurück in die Büros. Zudem können die Sensoren die Luftreiniger gezielt anhand des PM2.5-Wert an- und ausschalten, statt dass sie einfach – wie bisher – permanent laufen. Sie aktivieren die Luftreiniger nur bei Bedarf, was deutlich Energie sparen kann.

Darüber hinaus entwickeln die BT-Experten auch eine Anwendung, bei der man den Feinstaubsensor zusätzlich mit einem Kohlendioxid-Sensor verknüpft, um die Lüftungsanlage eines Gebäudes gezielt zu steuern. In geschlossen Räumen reichert sich durch das Atmen Kohlendioxid an. Vielfach setzt man heute Kohlendioxid-Sensoren ein, die in einem solchen Fall, die Lüftung aktivieren, die dann Frischluft von außen ins Gebäude pumpt. „In vielen Großstädten ist die Luft aber so mit Feinstaub belastet, dass Lüften nicht zu empfehlen ist. In diesem Falle könnte der Feinstaub-Sensor das Lüften unterbinden“, sagt Copley.

Spielend einfacher Wechsel des Lasermoduls

Der Siemens-Partikelsensor bietet den Kunden neben der präzisen Messung der feinsten Feinstaubpartikel noch weitere Vorteile – etwa was die Handhabung betrifft. Da Feinstaub-Sensoren Luft ansaugen, verschmutzt die Lasertechnik nach und nach. Normalerweise muss dann der ganze Sensor von den Stromkabeln getrennt, demontiert und durch ein neues Gerät ersetzt werden. Beim Sensor von BT hingegen muss nur das kleine Lasermodul gewechselt werden. „Das geht etwa so schnell wie der Wechsel der Batterie in einer Fernseher-Fernbedienung“, sagt Copley. Damit der Kunde das Lasermodul möglichst selten austauschen muss, verfügt der Sensor zudem über einen Sparmodus: Er nimmt nur wenige Messungen pro Stunde vor und verschmutzt weniger schnell. Das erhöht die Lebensdauer des Lasermoduls. Damit die Kunden sich darüber hinaus jederzeit über die Luftqualität informieren können, verfügt der Sensor über eine Art Schnellstartfunktion. Nähert sich der Kunde auf etwa einen Meter an, erwacht der Sensor und nimmt eine Schnellmessung vor. „Innerhalb von Sekunden wird dann der aktuelle Feinstaubwert auf dem Display angezeigt“, erklärt Copley. „Diese sehr schnelle Luftanalyse ist eine der Besonderheiten unseres Gerätes.“

Doch nicht nur für China, Indien und andere besonders belastete Regionen ist der Sensor sinnvoll, sagt Copley. Fast jede Großstadt habe heute mehr oder weniger große Probleme mit Feinstaub, vor allem bei Inversions-Wetterlagen, wenn die verschmutzte Luft wie eine Glocke über einer Stadt liegt – auch in London oder Stuttgart werden die Grenzwerte dabei schnell einmal deutlich überschritten.

 

Wie schnell das Lasermodul verschmutzt, hängt übrigens allein von der Luftqualität der Umgebung ab. In Peking, sagt Copley, könne die Lebensdauer eines Moduls auf wenige Jahre schrumpfen. In den Schweizer Bergen dürfte es dagegen das Vielfache halten. Steuert man mit dem Sensor einen Luftreiniger, dann sollte er selbst in einer chinesischen Großstadt lange messen – und dafür sorgen, dass die Luft im Büro so sauber wie in den Alpen ist.

 

04.04.2018

Tim Schröder

Bildquellen: von oben: 3. AFP/Getty Images

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