Meet, Connect, Dance
Erfinder vernetzen
Die #iDea. Company sorgt für Start-up-Wind bei Siemens – jenseits etablierter Hierarchien und über Ländergrenzen bringt sie Menschen zusammen, die Ideen parallel zu ihren echten Jobs umsetzen.
München, Neuperlach. Zwischen den wie aus Riesenlego zusammengesteckten Gebäuden des Siemens-Campus finden sich viele Bäume – Ulmen, Platanen, Eichen, Buchen, Eschen, vor jedem Gebäude wiegt sich eine andere Baumart im Wind. Weniger bemerkenswert erschien bislang der grüne Rasen darunter – doch gerade dort entstehen womöglich alsbald kleine Hütten, die Tolkiens Hobbit entsprungen sein könnten. „Tagsüber sollen dort in nett eingerichteten Zimmern Meetings stattfinden“, sagt Thomas Luister, Chair der Siemens #iDea. Company, die für den Plan verantwortlich zeichnet. „Auf der Holzterrasse können sich Kollegen abends auf einen Drink treffen und neue Projekte diskutieren. Und man könnte dort sogar übernachten.“
Die ungewöhnliche Idee, an deren Verwirklichung #iDea. Company derzeit arbeitet, soll ein wenig Gründergeist in Siemens zurückbringen, dessen Tage als Start-up weit zurück im Berlin des 19. Jahrhunderts liegen: Die #iDea. Company verwirklicht seit 2016 mit freiwilligen Mitarbeitern – die aus verschiedensten Abteilungen kommen – eine bunte Vielfalt an Projekten, die im Konzern eine dynamische Community jenseits der etablierten Hierarchien und über Ländergrenzen hinweg fördern. Seit Oktober letzten Jahres wurden 3 Mitarbeiter hierfür freigestellt. „Bei Siemens gibt es natürlich viele Initiativen, die Innovation fördern. Etwa Quickstarter von Corporate Technology, das interne Ideen unterstützt, oder das 3i-Programm, das Ideen von Mitarbeitern prämiert“, sagt Luister. „Wir dagegen fördern die Start-up-Kultur, indem wir Menschen zusammenbringen. Wir verfügen heute über ein Netzwerk von über 50 aktiven Mitwirkenden in sieben Ländern – und wir wachsen weiter.“
Ein Hackathon im Turboformat
Eines der ersten Projekte der #iDea. Company waren die Siemens Hackathon Days 2017, bei denen an zwei Tagen 1.700 Programmierer vor Ort und online zusammenkamen, um in Marathonsitzungen Softwareapplikationen zu entwickeln. Sie arbeiteten an Verfahren, etwa um unerwünschte Drohnen zu erfassen, oder personalisierten Bahnsitzen, die, ehe die Fahrgäste erscheinen, die präferierte Sitzpositionen einstellen. „Die einzelnen Projekte waren aber nicht das Wichtigste für uns“, sagt Jayne Biles, zuständig für Kommunikation bei der #iDea. Company. „Für uns zählte vor allem, dass wir erfolgreich Siemens-Mitarbeiter zusammengebracht haben. Dieses Erfolgsmodell wollten wir natürlich weiterführen.“
Ein Jahr später folgte Futureland – ein Hackathon im Turboformat unter dem Motto „Make digitalisation work“: Zwei Tage, 5.000 Siemens-Mitarbeiter aus allen Geschäftseinheiten, 257 Teams an acht Orten, die Ideen entwickelten, von Blockchain über Künstliche Intelligenz bis hin zur IoT-Plattform Mindsphere. Die mehrfach ausgezeichnete Veranstaltung – sie erhielt etwa den Handelsblatt Diamond Star Award for Innovation – führte in der Tat zu mehreren Erfindungsmeldungen.
Neue Wege der Zusammenarbeit
Der Gedanke hinter den Hackathons ist indes nicht nur, unter Siemens-Mitarbeitern eine kurzfristige Volksfest-Stimmung zu verbreiten. „Es geht grundsätzlich um eine neue Art zu arbeiten – mit kleinen Teams, die neben ihrem eigentlichen Job Ideen von der Konzeption bis hin zur Umsetzung begleiten“, sagt Luister. „Bei #iDea. Company entscheidet jeder eigenverantwortlich, was er wo beitragen will – das führt zu einer dynamischen selbstorganisierten Struktur, ohne Hierarchien, ohne zentrale Lenkung. Eine solche Initiative ist für Siemens völlig neu.“ Der Konzern profitiere aber langfristig davon, so Luister. „Die Mitarbeiter machen wichtige Erfahrungen und sind insgesamt stärker motiviert, denn sie können neue Dinge ausprobieren und sich neben ihrem eigentlichen Job weiterqualifizieren.“ Vorbild seien hier etwa Unternehmen wie Google, die Mitarbeiter ermutigen, eigenverantwortlich einen Teil der Arbeitszeit auf ihnen wichtige Innovationen zu verwenden.
Dieses über die letzten drei Jahre gewonnene Selbstverständnis bedeutet aber auch, dass die #iDea. Company ihre Kernkompetenz besser denn einzuschätzen gelernt hat: „Wer eine neue Anwendung für den 5G-Mobilfunkstandard entwickelt, den können wir vielleicht in die richtige Richtung weisen.“, sagt Luister. „Unsere wichtigste Aufgabe dagegen ist es, Menschen zu ermöglichen, neue Wege zu finden, miteinander zu arbeiten. Und das bedeutet mehr als nur Hackathons zu veranstalten, es heißt auch, Partys zu organisieren oder Technologien zu fördern, die Menschen bei Siemens zusammenbringen.“
Elegante Lösungen für Bedürfnisse der Community
So gibt es in der ehemaligen Bibliothek am Campus Neuperlach inzwischen von der #iDea. Company organisierte After Work-Veranstaltungen, deren Devise „Meet, Connect, Dance“ lautet. Das interne Start-up fördert auch soziale Tools. So ist derzeit eine Couch-Surfing-App in Entwicklung, mit denen Siemens-Mitarbeiter auf Geschäftsreisen sich bei Kollegen einbuchen können, statt anonym in Hotels zu übernachten. Und sogar Dienstleistungen für Siemens-Events bietet die #iDea. Company inzwischen an. „Traditionell wird für eine Veranstaltung ein teurer Caterer bestellt“, sagt Luister. „Aber wenn wir gemeinsam grillen, dann ist das nicht nur günstiger, es bringt die Menschen zusammen.“
Deshalb müssen die von der #iDea. Company geförderten Erfindungen technisch auch kein Feuerwerk sein. Die Innovation kann ganz allein darin bestehen, ein Bedürfnis der Siemens-Community zu erkennen und eine elegante Lösung dafür zu finden. Etwa eine Barcode-App, die es ermöglicht, per Handy schnell alle Kontaktinformationen auszutauschen, was es erübrigt, mühsam nach der Visitenkarte zu kramen. Auch die App InstaGauge gehört dazu, die Siemens-Mitarbeiter inzwischen monatlich für rund tausend Umfragen nutzen. Oder TaskMarket, eine App, die es erlaubt, im Konzern schnell Knowhow für verschiedenste Aufgaben eines Teams zu finden – und hilft, das Netzwerk der #iDea. Company zu erweitern.
Den Nährboden für Innovationen bestellen
Solche Anwendungen gibt es freilich auch auf dem freien Markt. „Oft können wir die aufgrund von Sicherheitsbedenken oder Datenschutz nicht ohne weiteres einsetzen“, sagt Biles. „Mit Ideen für solche Apps gehen wir dann genau auf die Art und Weise um, die wir im Konzern selbst fördern wollen – relativ unbürokratisch, flexibel und vom Engagement unserer Kollegen getragen“, sagt Biles. „Und demonstriert auch den Kulturwandel, den wir fördern.“
SDie #iDea. Company hat mit ihrer Mission, Mitarbeiter zusammenzubringen, offenbar einen Nerv getroffen. Erst im Juli hat sie etwa die von Mitarbeitern selbstorganisierte „Siemens Transformation PopUp Week“ mit unterstützt, bei der jeder virtuell seine Vision vorstellen konnte, wie der Konzern sich in Zukunft entwickeln sollte – weltweit nahmen daran rund 5.000 Mitarbeiter teil. Über ein Dutzend weitere solcher Projekte – unter anderem Futureland 2 – sind in Arbeit. Viel zu tun, aber Stillstand ist keine Option: „Den Nährboden, auf dem Innovationen gedeihen“, sagt Luister, „muss man regelmäßig bestellen.“ (ab/fk)
Autor: Hubertus Breuer
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