Erlebnisreise ins Metaversum

Wie wird es sein, sich im Metaversum zu treffen? Die Entwicklung der kommenden Jahre wird spannend. Aber klar ist: Digitale Zwillinge sind die Benutzerschnittstellen der Zukunft. 

Digitale Zwillinge – die flexiblen Chamäleons der digitalen Transformation – machen es möglich, die reale Welt realitätsnah nachzubilden. So sind sie auch eine wesentliche Technologie für das Metaversum, der populären Vision für das Internets von morgen. Reale und digitale Welt sollen sich fast übergangslos ineinanderfügen und wir werden noch viel mehr Möglichkeiten haben als heute, in der virtuellen Welt miteinander zu interagieren. Wie das einmal genau aussehen wird, wird sich in den kommenden Jahren entwickeln. Auch das UX (User Experience) Design Team von Siemens erforscht aktuell, wie wir einmal die Reise ins Metaversum erleben sollen.

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Die User Journey als Erlebnis

UX-Designer sprechen von einer „User Journey“, wenn Menschen mit Maschinen interagieren. Entscheidend sind die sogenannten „Touch Points“: Informationen werden abgefragt, es wird auf etwas hingewiesen, die Anwender geben etwas ein und bekommen eine Antwort. Es entsteht eine Art Konversation mit dem System. „Jeder Touch Point hinterlässt einen bestimmten Eindruck beim Menschen – emotional, positiv, negativ, was auch immer. Die Summe dieser Eindrücke machen das Erlebnis aus“, erklärt der Designer Ramesh Manickam. „Im UX Design geht es darum, dieses Erlebnis zu gestalten, an allen Touch Points die richtigen Informationen im richtigen Kontext bereitzustellen und so den Anwender*innen ein bestmögliches Erlebnis auf ihrem Weg zum Ziel zu geben.“ Ramesh ist Senior Key Expert für das Design visueller Erlebnisse an Intelligenten Systemen und arbeitet in einem multidisziplinären Design Team bei Siemens Indien. Die Gruppe beschäftigt sich mit User Experience von digitalen Zwillingen und dem Metaversum. 

Smart City App Expo 2020 Dubai 

Ein Beispiel ist die Mindsphere Smart City App. Sie wurde für die Expo 2020 in Dubai entwickelt und soll als Blaupause für Anwendungen dieser Art weltweit dienen. Über die App lässt sich eine vernetzte und digitalisierte Stadt bedienen, in diesem Fall der mehr als 130 Gebäude umfassende Standort der Dubai Expo. Die Betreiber wollen mit der App eine möglichst nachhaltige Expo realisieren. Dafür sammelt, überwacht, korreliert und analysiert sie Daten von über 200.000 Datenpunkten mit Sensoren – zu Energie- und Wasserverbrauch, Luftqualität und vielem mehr – und macht sie in Echtzeit zugänglich. Die User Experience und die Oberfläche dafür hat das UX Design Team von Siemens Indien entwickelt.

 

„UX hat hier zwei Aspekte, zum einen sollen die Anwender*innen die jeweilige Situation sofort begreifen und detailliert betrachten können“, erklärt Ramesh. Ungewöhnliche oder kritische Werte müssen sofort ins Auge springen und schnell tiefer analysiert werden. Es geht darum, die Daten bestmöglich zu visualisieren und die „User Journey“ so zu gestalten, dass die Nutzer*innen schnell mehr wissen und passende Entscheidungen treffen können.

 

Als Grundlage für die UX dient der digitale Zwilling der Expo, also das digitale Modell des Standorts plus die – geeignet aufbereiteten – Sensordaten. Für die Navigation und besserer kognitive Verständlichkeit sind die Daten in verschiedenen Ebenen organisiert – von der gesamten Expo City über Gebäue, Stockwerke bis hin zu einzelnen Räumen. Die ausgewählten Parameter werden geeignet zusammengefasst und kategorisiert und dann so dargestellt, dass die Bedeutung intuitiv klar wird. Etwa zeigen die Farbe und Länge von Balken so angezeigt, ob und wie kritisch die Werte sind. An jedem dieser Touch Points kann man Ebene für Ebene tiefer gehen, bis hin zu den einzelnen Daten, die auffällig sind.

 

Das Design der App ist auch kulturell an die Anwendung angepasst. „Wir hatten das Setting in Dubai, die Marke Expo und den Background der Nutzerinnen und Nutzer. Wir sammelten alles, was typisch ist für diese drei Themen – etwa Bilder  – und erstellen eine Art visuelle Karte.“ Alles wird von dieser Referenz beeinflusst – Farben, Symbole, Icons, sogar die Balken. So heißt zum Beispiel die Vogelperspektive passend zur arabischen Kultur „Falken-Perspektive“. 

Erlebnisse für das Metaversum

Die Dubai Expo App nutzt einen digitalen Zwilling mit Echtzeit-Daten. In anderen Anwendungen können Daten aus dem gesamten Produkt Lifecycle – Konstruktion, Produktion, Performanz, künftiges Verhalten, etc.  – als weitere Ebenen dazukommen. Die Designer*innen schaffen so einen bedeutungsvollen Zugang zu dem System, in dem alle diese Daten zusammenkommen. Quasi einem digitalen roten Faden, der diese einzelnen Informationssilos zusammenführt. Verschiedene Nutzen greifen dann auf unterschiedliche Sichten zu.

 

Insgesamt werden digitale Zwillinge immer ausgefeilter, erklärt Ramesh: „Immer mehr Aufgaben entlang der User Journey werden automatisiert erledigt werden. Es gibt dann weniger Touch Points, an denen die Anwenderinnen und Anwender überwiegend Entscheidungen treffen und wo sie genau die richtigen Informationen brauchen. Das ist eine hohe Verantwortung für die UX-Designer. “ 

From pages to stages

Der nächste Schritt wird ins Metaversum führen. Ramesh umreißt, warum UX hier so wichtig ist: „Im Englischen sagen wir, ´from pages to stages´. Wir verlassen die Welt der Web-Seiten, stattdessen betreten wir neue Bühnen, die es möglich machen in Szenarien einzutauchen. Bilder ersetzen Worte, mit denen sich Anwender schneller zurechtfinden, mit denen sie etwas verbinden können und denen sie die räumlichen Zusammenhänge besser verstehen können. Wir gehen von der Realität in die Welt der Vorstellungskraft und können so den Usern mehr zeigen, als in der Realität sichtbar ist.“ Das Team arbeitet  an Lösungen für ein industrielles Metaversum. „Die Herausforderung im Metaversum ist, dass es ein öffentlicher Raum ist“, sagt Ramesh. „Unsere digitalen Zwillinge enthalten unheimlich viel Informationen. Es ist, als würden wir vom Intranet ins Internet gehen. Man muss sehr genau überlegen, wer welche Informationen bekommen darf und wie die Informationen für die Zielgruppe aufbereitet werden müssen.“ Die digitalen Zwillinge werden außerdem anders aussehen als heute, meint Ramesh: „Sie werden ansprechender aussehen, so realistisch wie möglich und sie werden in einer Art natürlichen Umgebung gezeigt werden, nicht als isolierte Modelle.“  Wenn das gelingt, können alle Stakeholder – intern wie extern – über Avatare im Metaversum ihre Arbeiten an Siemens Systemen ganz einfach über den digitalen Zwilling erledigen. 

Christine Rüth, Juli 2022