Mein Name ist Companion – Digital Companion
Wenn aus Systemen echte Arbeitspartner werden, dann spricht man von Digital Companions. Sie sind intelligent, sollen unterstützen und lästige Arbeiten abnehmen, aber dabei weder manipulieren noch dominieren. In die Entwicklung fließen Forschungserbnisse aus der Künstlichen Intelligenz, der Psychologie und der Neurobiologie ein.
Von Aenne Barnard
Die Arbeitswelt der Zukunft wird anders aussehen als heute und durchaus sehr attraktiv für Menschen: Weniger routinierte Arbeiten entlang optimierter Bedienabfolgen – das können Maschinen besser – mehr strategische und kreative Wissensarbeit – die Maschinen gar nicht gut können. Der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen wird wohl nicht mehr nur davon abhängen, systematische und effiziente Abläufe zu etablieren, sondern viel mehr davon, ob es gelingt, die besonderen Fähigkeiten von Menschen in diese Abläufe zu integrieren.
Digital Companions sind das Idealbild eines computergestützten Systems, das sich auf seinen menschlichen Benutzer einstellt und eine Schnittstelle bildet zwischen Effizienz, strikten Prozessen und Datenmassen zum Kreativwesen Mensch. Eine Maschine, die so reagiert, dass Menschen sie als hilfreichen Assistenten empfinden.
Mehr als ein Chatbot
Also nur eine humanoide Benutzerschnittstelle? „Hey Siri, bist du ein Digital Companion?“ „Hmm, ich weiß nicht“, antwortet die Computerstimme wenig hilfreich. „Siri ist kein Digital Companion, nur weil sie sprechen kann“, meint Axel Platz, Spezialist für die Mensch-Maschine-Kommunikation bei der zentralen Siemens-Forschung Corporate Technology (CT). „Nach wenigen Fragen wird deutlich, dass sie offensichtlich nur einem einfachen Algorithmus folgt. Es kommt nicht darauf an, dass gesprochen wird, sondern auf das, was gesprochen wird. Ein Digital Companion muss die – künstliche – Intelligenz (KI) besitzen, die Aufgaben, um die es geht, zu verstehen. Nur dann kann er durch Hinweise und konkrete Lösungsvorschläge unterstützen.“
„Wir gestalten hier die Arbeitswelt der Zukunft. Die Digitalisierung bewirkt, dass in vielen Anlagen viele Daten zusammenlaufen."
Im Mittelpunkt steht der Mensch
Nicht jedes KI-System ist aber ein Digital Companion, nur solche, die auf die menschliche Psyche hin angepasst wurden. „Alle Menschen haben die elementaren, universelle Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit “, erklärt Axel Platz. „Das muss ein Digital Companion berücksichtigen. Zum Beispiel wird ein System, das Lösungsvorschläge anbietet und mit relevanten Informationen unterstützt, als hilfreicher Assistent wahrgenommen. Wenn aber zu viele Entscheidungen automatisch getroffen werden, verliert der Mensch die Möglichkeit autonom zu entscheiden und wird den Companion als dominanten Besserwisser ablehnen.
Klingt das nicht eher nach Spielerei und Konsumer-Geräten? „Im Gegenteil“, stellt Platz fest. „Wir gestalten hier die Arbeitswelt der Zukunft. Die Digitalisierung bewirkt, dass in vielen Anlagen, wie etwa Fabriken, Leitstellen usw. viele Daten zusammenlaufen. Die Mitarbeiter, die eine hohe Verantwortung tragen, sind ohnehin auf Rechner, die die Daten auswerten angewiesen. Wenn wir ihnen dafür Hilfsmittel in Companion-Qualität anbieten können, machen wir nicht nur ihre Arbeit angenehmer, sondern auch die Anlagen sicherer.
Ein Companion für die Leitwarte
Ein praktisches Anwendungsbeispiel ist etwa der Konzept-Prototyp „Early Warning“, der vergangenes Jahr bei Siemens entwickelt wurde. Early Warning, soll Mitarbeiter in den Leitwarten der Energieverteilnetze dabei unterstützen, Störungen so früh wie möglich – im günstigsten Fall bevor sie auftreten – zu erkennen. Für die Energieerzeuger und Verteiler wird Störungserkennung immer wichtiger, denn gerade die Energienetzen der Zukunft, mit ihren vielen verteilten unterschiedlichen Sonnen-und Wind-abhängigen Energieerzeugern, sind besonders anfällig. Das System vergleicht – mittels künstlicher Intelligenz – die aktuelle Situation mit Konstellationen in der Vergangenheit, die zu Störungen geführt haben. Dabei werden nicht nur die technischen Parameter des Energienetzes selbst berücksichtigt, sondern auch Kontextfaktoren wie zum Beispiel die Wetterbedingungen. Zusammen mit dem Nutzer, der die entscheidenden Fakten auf einer grafischen Oberfläche nachvollziehen kann, hilft das System als Companion,die Relevanz dieser Ähnlichkeiten bzw. der zugrundeliegenden Faktoren zu evaluieren und Gegenmaßnahmen vorzuschlagen.
"In den nächsten Jahren werden Digital Companions ziemlich sicher branchenübergreifend Bedeutung bekommen.“
„Mit Early Warning schöpfen wir bei weitem noch nicht die Möglichkeiten aus, die wir beim Thema „Digital Companion sehen, zum Beispiel berücksichtigen wir nicht die Emotionen des Anwenders“, betont Axel Platz. „Aber die Grundkonzepte sind erkennbar: Die Entscheidungskompetenz bleibt beim Anwender und das Companion-artige System bereitet die verfügbaren Datenmassen so auf, dass diese Informationen dabei unterstützen, bessere Entscheidungen zu treffen. Wir stehen noch am Anfang einer Entwicklung. In den nächsten Jahren aber werden Digital Companions ziemlich sicher branchenübergreifend Bedeutung bekommen.“
Sinnvolle Grenzen
Wie bei vielen KI-Anwendungen ist auch in der Entwicklung der Digital Companions nicht alles sinnvoll, was möglich ist. Wie etwa soll ein Companion mit den Emotionen der Anwender umgehen? Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn ein intelligentes Fahrercockpit dem Ärger eines Autofahrers entgegen wirken, um Unfälle zu vermeiden. Aber soll das auch ein Schreibprogramm tun, wenn auf ihm gerade ein wütender Beschwerdebrief verfasst wird? „Technisch ist es sicherlich vieles möglich“, meint Platz. „Sinnvoll aber nur, solange wir die Anwender in ihren Absichten unterstützen und nicht etwa manipulieren. Gleichzeitig müssen wir auch die Rechte der Personen schützen, deren Emotionen erfasst wurden. Die Digital Companions stehen wir noch am Anfang. Wenn sich in den nächsten Jahren die künstliche Intelligenz weiterentwickelt, dann werden auch die Digital Companions branchenübergreifend an Bedeutung gewinnen.“
Zum Abschluss noch eine Frage: „Hey Siri, magst du Digital Companions?“ Sie meint: „Es geht hier um dich, nicht um mich“. Da hat sie doch recht, oder?
05.07.2018
Aenne Barnard
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