Würden Sie dem Algorithmus vertrauen?

Die nächste Generation industrieller KI 

Industrieanlagen, Maschinen, kritische Infrastrukturen: Mehr als die Hälfte der Wirtschaftsführer erwartet, dass sie schon in den nächsten fünf Jahren von KI gesteuert werden. Dies ist einer der bemerkenswerten internationalen Trends, die eine Umfrage von Longitude Research und Siemens zutage gefördert hat. Mehr als 500 hochrangige Führungskräfte aus Energiewirtschaft, Fertigung, Schwerindustrie, Infrastruktur und dem Transportwesen wurden rund um das Thema industrielle KI befragt: zu Anwendungsfällen, positiven und negativen Erfahrungen, Hindernissen und ihrer persönlichen Haltung gegenüber den Entscheidungen Künstlicher Intelligenzen. Ihre Antworten bieten einen einzigartigen Einblick in die Zukunft der KI in Industrieunternehmen.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten in Ihrem Unternehmen einen Teil der täglichen betrieblichen Entscheidungen automatisieren, so dass sich Ihre Mitarbeiter verstärkt auf strategische Projekte konzentrieren könnten, z.B. auf die Entwicklung neuer Produktlinien oder den Ausbau des Geschäfts. Wie gut müsste ein KI-Modell sein, bevor Sie ihm die Kontrolle übergeben? Müsste es zum Beispiel genauso leistungsfähig sein wie menschliche Ingenieure – oder noch leistungsfähiger? Und was, wenn ein Fehler erhebliche finanzielle Verluste oder sogar Personenschäden zur Folge hätte? Würde Ihre Antwort dann anders ausfallen?

 

Eine neue Umfrage konfrontierte 515 hochrangige Führungskräfte aus der Wirtschaft (darunter aus den Sektoren Energie, Fertigung, Schwerindustrie, Infrastruktur und dem Transportwesen) mit Szenarien dieser Art. Ihre Antworten, Erfahrungswerte und Fragestellungen bieten einen einzigartigen Einblick in die Zukunft der KI in Industrieunternehmen.

Schwerindustrie und schwerwiegende Folgen

In den genannten Branchen könnte KI an vielerlei Stelle dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden und Arbeitsplätze sicherer zu machen. Die Methoden der KI sind dabei in allen Branchen ähnlich. Doch dies gilt nicht für die Folgen eines Fehlers. In vielen Industrieunternehmen können schlechte Entscheidungen dazu führen, dass Tausende von Menschen nicht zur Arbeit kommen; bei heiß gelaufenen Maschinen können Millionenbeträge verloren gehen; leichte Druckänderungen können eine Umweltkatastrophe auslösen oder gar Menschenleben kosten.

 

Bezeichnenderweise gehen 44 Prozent der Befragten davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren KI-Systeme Maschinen autonom steuern werden, die theoretisch das Potenzial hätten, Verletzungen oder gar Todesfälle zu verursachen. Ein noch größerer Anteil der Befragten (54 Prozent) erwartet, dass KI im selben Zeitraum einen Teil der hochwertigen Investitionsgüter ihres Unternehmens autonom steuern wird.

 

Wenn KI-Systeme einen so entscheidenden Sprung in Bezug auf ihre Verantwortung machen, dann müssen sie selbst einen Entwicklungssprung vollziehen. Häufig wird dies dadurch vorangetrieben, dass neue Ansätze entwickelt werden, wie sich Daten generieren, verwalten, darstellen und teilen lassen. 

 

  • Kontextdaten und Simulationen: Bereits heute wird KI auf Datensätze angewandt, die auf neue Weise erstellt und organisiert werden. Ein Beispiel dafür sind Wissensgraphen. Sie erfassen die Beziehungen zwischen den in verschiedenen Datensätzen verborgenen Daten und ihre Bedeutung und stellen die Daten in einen Kontext. Ein anderes Beispiel sind digitale Zwillinge. Sie ermöglichen eine detaillierte digitale Darstellung oder Simulation eines realen Produkts, Systems oder Prozesses.
  • Integrierte KI und Einblicke in große Zusammenhänge: Durch das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) und durch Edge-Technologien entstehen diverse von Maschinen generierte Datensätze, die neue Möglichkeiten eröffnen, Situationen einzuschätzen und Echtzeit-Einblicke ermöglichen – entweder in einer Cloud oder direkt vor Ort über mit Intelligenz ausgestattete sogenannte Edge Devices.
  • Die Daten der anderen: Verbesserte Protokolle und Technologien für den Datenaustausch zwischen Unternehmen könnten zur Entwicklung von KI-Modellen beitragen, die gleichzeitig auf den Daten von Zulieferern, Partnern, Regulierungsbehörden, Kunden und vielleicht sogar Wettbewerbern aufbauen.

Kontext verändert Bedeutung

Um eines der genannten Beispiele zu vertiefen: Die Verwendung industrieller Wissensgraphen birgt ein enormes Potenzial: Verschiedene Datensätze können kombiniert werden. „Wissensgraphen fügen den Daten, die Sie analysieren, einen Kontext hinzu“, erklärt Norbert Gaus, Leiter der Hauptabteilung Forschung und Entwicklung (R&D) im Bereich Digitalisierung und Automatisierung bei Siemens. „Die Daten einer Maschine könnten beispielsweise im Kontext ihrer Konstruktionsdaten analysiert werden, einschließlich der Aufgaben, für die sie konstruiert wurde, der vorgesehenen Betriebstemperaturen, wichtiger Schwellenwerte für die Teile und vieles mehr. Außerdem könnten wir die Servicehistorie ähnlicher Maschinen hinzufügen, wie etwa Fehler, Rückrufe und erwartete Prüfbefunde über die gesamte Betriebszeit der Maschine. Wissensgraphen machen es viel einfacher, die für das Training von KI-Modellen verwendeten Maschinendaten anzureichern und wertvolle Kontextinformationen zu ergänzen.“

 

In der Umfrage wurden die Arten von Kontextdaten untersucht, die nach Ansicht der Führungskräfte heute den größten Nutzen bringen würden. Daten von Ausrüstern standen dabei an erster Stelle: Immerhin 71 Prozent der Befragten werteten dies als einen mehr oder weniger großen Vorteil. Es folgten interne Daten aus anderen Divisionen, Regionen oder Abteilungen (70 Prozent), Daten von Zulieferern (70 Prozent) und Leistungsdaten von verkauften Produkten, die bei den Kunden im Einsatz sind (68 Prozent).

 

Ein Unternehmen, das Wissensgraphen verwendet, um verschiedene Arten von Daten – beispielsweise zur Produkthistorie, zu betrieblichen Leistungen oder zu Umgebungsbedingungen – zusammenzuführen, wäre in der Lage, daraus ein einziges KI-Modell zu erstellen, das bessere Vorhersagen ermöglicht, Wirkungsgrade verbessert und dadurch beispielsweise automatisierte Systeme und Prozesse leistungsfähiger macht.

Vertrauen in Algorithmen aufbauen

Wenn Anwendungen immer noch leistungsfähiger werden, entstehen neue Herausforderungen. Beispielsweise wird es notwendig werden, der KI in Bereichen Verantwortung zu übertragen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. In diesen Fällen müssen KI-Anwendungen das Vertrauen von Entscheidungsträgern gewinnen.  Letztlich müssen ganze Unternehmen lernen, einen neuen Umgang damit zu finden – mit neuen Vorteilen und Risiken


In der Umfrage wurden die Teilnehmer auch gebeten, sich gedanklich in konkret formulierte Szenarien zu versetzen und zu entscheiden, wessen Urteil sie vertrauen würden: dem eines KI-Modells oder dem anders lautenden Urteil eines erfahrenen Mitarbeiters. Die Szenarien waren alle so angelegt, dass die Entscheidung erhebliche finanzielle Auswirkungen hatte.  Das Ergebnis: 56 Prozent der Befragten gaben der Entscheidung des KI-Modells den Vorzug.

 

Sind 56 Prozent nun viel oder wenig? Den Befragten wurde zuvor mitgeteilt, dass das KI-Modell in einem einjährigen Pilotprojekt bessere Entscheidungen getroffen hatte als die erfahrensten Mitarbeiter des Unternehmens – so gesehen sind 56 Prozent wenig. Es bedeutet, dass die übrigen 44 Prozent eher den Entscheidungen von Menschen vertrauen, auch wenn die Fakten für KI sprechen.

 

Die Fragen, die sich rund um den Einsatz neuer Generationen industrieller KI stellen, sind spannend. Und ihr Einsatz bringt viele Herausforderungen mit sich. Die Umfrage hat ergeben, dass Entscheidungsträger die Zukunft industrieller KI insgesamt optimistisch sehen. Wenn KI wie erwartet ausreift, erwarten Führungskräfte weniger schädliche Cyberangriffe, ein einfacheres Risikomanagement, grundsätzlich mehr Innovationen, höhere Gewinnmargen und sicherere Arbeitsplätze. Angesichts eines so breiten und bedeutenden Spektrums an möglichen positiven Auswirkungen ist dies ein starker Ansporn, alle Herausforderungen auf dem Weg zur industriellen KI der nächsten Generation zu meistern. 

 

Mehr über diese und andere wichtige Fragen können Sie hier nachlesen: Next-gen industrial AI research report (Forschungsbericht zur industriellen KI der nächsten Generation). 

Artificial intelligence
In its truest sense, artificial intelligence refers to applications in which machines perform tasks that would normally require functions of human intelligence such as learning, judging, and problem-solving. Tools and technical solutions are being developed for this purpose, enabling humans to work better by extending their abilities.

Machine learning
Machine learning (ML) is what underlies the actual “intelligence” in AI. Computers are trained to recognize patterns in unstructured datasets using algorithms, and to make decisions by themselves based on this “knowledge.” The goal is to have the machine learn from the data and, based on this, use the experience it acquires to constantly improve its ability to perform its tasks. 

Deep learning
Deep learning (DL) relies on the use of deep neural networks. The computer accesses data at several node levels simultaneously in order to identify connections, draw conclusions, and make both predictions and ­decisions. Self-learning algorithms enable the machine to solve even complex non-linear problems by itself, and to interact without instructions.

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