Mehr Tempo bei der Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen

Das weltweit tätige Gesundheitsunternehmen GSK arbeitet gemeinsam mit den Digitalisierungsexperten von Siemens sowie dem Spezialisten für digitale Transformation ATOS an der Digitalisierung seiner Prozesse zur Impfstoffentwicklung und -herstellung. Ein entscheidender Vorteil sind deutlich kürzere Entwicklungszeiten, wodurch Impfstoffe schneller und in optimaler Qualität verfügbar werden. Der digitale Zwilling spielt dabei eine Schlüsselrolle.
Derzeit werden Impfstoffe typischerweise in vielen kleinen Siloanlagen entwickelt. Jede von ihnen ist bis zu einem gewissen Grad in ihrer eigenen Umgebung digitalisiert, jedoch sind sie wenig miteinander verknüpft. Hier gibt es eindeutig Optimierungspotenzial. Eine ganzheitliche Betrachtung des Prozesses und die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette würden hier deutliche Verbesserungen bringen.
Digitaler Zwilling: die reale und die digitale Welt in einem geschlossenen Kreislauf
Siemens bietet hierfür ein innovatives Portfolio an Digital-Enterprise-Lösungen. Es umfasst sowohl das Produktdesign ‒ hier die Impfstoffentwicklung und Wirkstoffproduktion (Primärverarbeitung) ‒ als auch die Herstellung des eigentlichen Arzneimittels (Sekundärverarbeitung). In Zusammenarbeit mit GSK und ATOS hat Siemens ein innovatives Konzept – den digitaler Zwilling – entwickelt, mit dem die reale und die digitale Welt in einem geschlossenen Kreislauf (Closed Loop) verschmelzen.
Fokus auf Adjuvans-Technologien bei GSK
Als erste Anwendung zum Testen des digitalen Zwillings haben GSK, Siemens und ATOS im Rahmen einer Realisierungsanalyse (Proof of Concept) einen digitalen Zwilling speziell für die Entwicklung und Herstellung von Adjuvans-Technologien entwickelt. Adjuvantien sind Impfstoffzusätze zur Verstärkung der Immunantwort und können eine wichtige Rolle für den Schutz von Menschen mit einem schwächeren Immunsystem spielen, etwa bei älteren Erwachsenen und immungeschwächten Menschen. Adjuvantien helfen auch, die für jede Impfstoffdosis benötigte Antigen-Menge zu reduzieren, so dass bei hoher Nachfrage mehr Impfstoffdosen geliefert werden können.
Leistungsfähige Software für eine anspruchsvolle Aufgabe
Für die Simulation musste zunächst die „Black Box“ der Adjuvans-Partikel entschlüsselt werden. Mit Hilfe von mechanistischen Modellen und künstlicher Intelligenz (KI) entwickelten die Partner ein Hybridmodell, um den Prozess zu simulieren und zu überwachen. Der digitale Zwilling verknüpft dabei die Prozessparameter mit der Qualität des Adjuvans. Die Sensoren und die Prozessanalysetechnik (PAT) liefern dem Zwilling die benötigten Informationen, um die Qualität des Produkts vorherzusagen. Jede Abweichung von der optimalen Qualität wird erkannt und führt dazu, dass der Zwilling auf die Prozessparameter einwirkt, um diese entsprechend den Sollvorgaben zu korrigieren.
Verschiedene Softwarelösungen kommen hier ins Spiel:
- Die Software Simatic SIPAT zur Unterstützung der Prozessanalyse (PAT) ermöglicht ab der Produktentwicklung uneingeschränkte Datentransparenz und gibt entsprechend korrelierte Daten an den Prozess zurück.
- Das Totally Integrated Automation Portal (TIA Portal) integriert Hardware, Software und Services. Es ermöglicht den vollständigen Zugriff auf die gesamte digitalisierte Automatisierung und bildet die Basis für den Engineering-Prozess der Implementierung.
- Eine Simulationssoftware modelliert und visualisiert den Prozess, der auch durch Machine Learning unterstützt wird.
Simulation mit CFD-Technologie
Der Zeitfaktor stellt eine besondere Herausforderung bei der Adjuvans-Simulation dar. Die Partikelsimulation der Adjuvantien ist sehr rechenintensiv, und so kann der Berechnungsprozess leicht mehrere Stunden dauern. Bei einer Echtzeit-Interaktion zwischen dem digitalen Zwilling und der realen Welt ist das ein Problem.
Daher haben die Projektpartner den hier dargestellten Prozess herausgelöst und mithilfe von CFD (Computational Flow Dynamics) simuliert. So konnten sie bereits vorab Simulationsdateien für alle möglichen Fälle generieren und speichern. In Kombination mit den Daten aus der statistischen Versuchsplanung (DoE) und Machine Learning erhalten sie so die Möglichkeit, die entstehenden Adjuvans-Partikel für jegliche Veränderungen der ausschlaggebenden Parameter vorherzusagen. Damit ist das Modell echtzeitfähig.
Digitalisierung: schnellere Entwicklung und Herstellung neuer Impfstoffe
Mit digitalen Zwillingen lassen sich nun Daten erfassen, um genau zu verstehen, was während der Impfstoffproduktion in Echtzeit passiert und wie sich die Abläufe weiter optimieren lassen. Sie ermöglichen nicht nur eine Überwachung komplexer Prozesse, sondern auch Vorhersagen, wie sich Veränderungen auf die Prozesse auswirken würden.
Die zunehmende Digitalisierung beschleunigt somit die Prozesse bei GSK. Im nächsten Schritt möchte GSK gemeinsam mit Siemens seine Vision unterstützen, neue digitale Zwillinge für den gesamten Entwicklungsprozess für neue Impfstoffe zu etablieren und einzuführen. So werden die digitalen Zwillinge von Produkt, Produktion und Performance miteinander verknüpft.
Mai 2021
GSK Vaccines bietet ein breites Portfolio und eine innovative Pipeline von Impfstoffen zum Schutz von Menschen jeden Alters. Mit den Impfstoffen des Unternehmens werden heute einige der weltweit verheerendsten Krankheiten bekämpft, darunter Pneumokokkeninfektionen, Meningitis, Hepatitis, Rotavirus, Keuchhusten und Grippe. GSK Vaccines liefert täglich rund 2 Millionen Impfstoffdosen für Menschen in über 160 Ländern.
ATOS ist ein weltweit führender Anbieter für die digitale Transformation mit 110.000 Mitarbeitern in 73 Ländern und einem Jahresumsatz von 12 Milliarden Euro. Als europäischer Marktführer für Cloud, Cybersecurity und High Performance Computing bietet die Atos Gruppe ganzheitliche Lösungen für Orchestrated Hybrid Cloud, Big Data, Business-Anwendungen und Digital Workplace.
Mit Hilfe des digitalen Zwillings, einer virtuellen Darstellung der realen Abläufe, lassen sich einzelne Stufen im Prozess testen und von Beginn an wichtige Erkenntnisse in einer virtuellen Umgebung gewinnen. Dadurch können Impfstoffe schneller entwickelt und stets mit den bestmöglichen Informationen hergestellt werden. Dies trägt auch zu einer zuverlässigen Impfstoffversorgung bei. Die bei den Echtläufen gewonnenen Daten werden durch maschinelles Lernen in die Modelle ‒ das „Gehirn“ des digitalen Zwillings ‒ zurückgeführt und helfen so, nicht nur den digitalen Zwilling, sondern auch die Produkte und Prozesse von Anfang an zu optimieren.