Digitaler Zwilling beschleunigt Entwicklung

Mit einem digitalen Zwilling konnte die Ruggli AG den Rundtakttisch einer neuen Anlage zur Tampon-Herstellung virtuell konstruieren und optimieren. Dies beschleunigte die Entwicklung der neuen Anlage und garantierte eine reibungslose Inbetriebnahme.

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Die neueste Anlage der Ruggli AG ist ein wahrer Alleskönner: Sie fertigt Tampons für die Monatshygiene von A wie Applikator bis Z wie Zusammenschweißen Verpackung.
Die Anlage vereint viele Funktionen: Zuerst gelangen die Rohlinge des Applikators, also der Tampon-Einführhilfe, auf Führungsbändern zur Maschine. Roboter richten das Rohmaterial korrekt aus und stecken es auf Metalldornen am Rundtakttisch. Dort wird der mehrteilige Applikator zusammengesteckt und thermisch geformt.
Die nächste Maschine stellt den Tampon her und fügt diesen in den Applikator ein, der durch Erwärmen verschlossen wird. Schließlich wird das Hygieneprodukt in einem Schlauchbeutel verpackt. Mehrere Kameras überprüfen laufend die Qualität jedes Stücks und sortieren fehlerhafte Produkte aus.
Multifunktions-Anlage bewältigt Material-Mix
Eine Anlage dieser Art ist auch für die Ruggli AG ein Novum, obwohl das Unternehmen seit über 50 Jahren kundenspezifische Anlagen zur Herstellung von Tampons entwickelt und baut. Zum einen ist der Applikator ein neues Produkt, zum anderen besticht die Anlage durch die hohe Integration verschiedener Funktionen und durch die Verarbeitung unterschiedlicher Materialien.
Die rund 40 Mitarbeiter von Ruggli in Koblenz decken von der Fertigung über die Inbetriebnahme bis zu Verkauf und Service für ihre Kunden alles ab. Als einziger Hersteller vergleichbarer Anlagen liefert das Koblenzer Unternehmen in der ganzen Welt.
„Die Anforderungen und Vorgaben für neue Aufträge werden immer komplexer und gleichzeitig steigt der Zeitdruck“, sagt Samuel Schuler, Leiter Forschung und Entwicklung bei Ruggli. „Der Kunde möchte eine neue Anlage oft innerhalb weniger Monate geliefert haben und die Produktion der Tampons aufnehmen.“
Die Anforderungen und Vorgaben für neue Aufträge werden immer komplexer und gleichzeitig steigt der Zeitdruck.Samuel Schuler, Leiter Forschung und Entwicklung, Ruggli AG
Mit digitalem Zwilling den Zeitdruck meistern
Um diese Herausforderung der immer kürzeren Entwicklungszeit zu meistern, setzte Ruggli gemeinsam mit Siemens auf das Konzept des digitalen Zwillings. Ein Rundtakttisch, wie er bei der Produktion des Applikators zum Einsatz kommt, birgt ein gewisses Potenzial für Kollisionen. Der Tisch besitzt rundherum Dornen, um die Rohlinge aufzunehmen. Alle zwei Sekunden dreht sich der Tisch ein Stück weiter. So entstehen pro Minute 120 Applikatoren, die anschließend auf die Tampons aufgesetzt werden.
Als die Entwickler von Ruggli die Maschine fertig ausgelegt hatten, schlug Siemens vor, einen digitalen Zwilling des Rundtakttisches zu erstellen. „Die Bewegung des Rundtakttisches ist heikel und wir wollten sie umfassend testen“, sagt Suy Siang Te, Application Engineer bei Siemens Digital Industries.
Die Experten des langjährigen Siemens-PLM-Partners BCT Technology GmbH führten Workshops und Schulungen vor Ort durch und konnte so den Kunden vom NX Mechatronic Concept Designer (MCD) überzeugen.
Die Bewegung des Rundtakttisches ist heikel und wir wollten sie umfassend testen.Suy Siang Te, Application Engineer bei Siemens Digital Industries
Kollisionen ausschließen dank Simulation
Ruggli stellte die CAD-Daten zur Verfügung und Suy Siang Te und sein Team konfigurierten die Bewegungen im MCD. So konnten die Ingenieure erkennen, ob die eingerechneten Taktzeiten realistisch waren und wo Kollisionsgefahr bestand. Die Zeit drängte, zeitweise arbeiteten drei Softwareentwickler gleichzeitig am Projekt.
„Bei der Programmierung mussten wir die Steuerungen von drei Maschinenteilen und zwei Robotern berücksichtigen. Es galt, Software von mindestens fünf verschiedenen Anbietern zu integrieren und natürlich musste die Anlage als Ganzes funktionieren“, erklärt Suy Siang Te.
Digitaler Zwilling simuliert selbst komplexe Prozesse
Für derart komplexe Aufgabe mit mehreren Akteuren bietet sich der digitale Zwilling an: Die Eins-zu-eins-Darstellung der Mechanik hat den Vorteil, dass die Funktionalitäten auch visuell überprüft werden können. Dies vereinfacht die Kommunikation unter allen Beteiligten und vermeidet Missverständnisse.
Auch die Gefahr von Kollisionen lässt sich durch die virtuellen Tests bannen: Werden zum Beispiel bei der Programmierung versehentlich die X- und die Y-Achsen einer Bewegung vertauscht, fällt das im digitalen Abbild sofort auf. An der realen Anlage hätte ein solcher Fehler verheerende Auswirkungen.
Gesamtes System virtuell geprüft
Nicht nur die Mechanik der Maschine kann digital geprüft werden, auch die Schnittstellen lassen sich definieren, die Steuerung programmieren und Sicherheitsfunktionen testen. Die Programmierer integrierten auch Motoren und Signale von Lichtschranken und testeten so das gesamte System.
Ohne den digitalen Zwilling hätte das komplexe Zusammenspiel der Komponenten erst zu einem sehr späten Zeitpunkt auf der realen Anlage getestet werden können. Samuel Schuler hat die Entwicklung in bester Erinnerung: „Wir haben Siemens früh ins Boot geholt, dadurch waren die Zuständigkeiten von Beginn weg klar. Wir konnten stets offen kommunizieren, was ich sehr schätzte.“
Mit digitalem Zwilling rund 20 % Zeit gespart
Zwischen dem Start der Entwicklung und dem Beginn der Montage verging rund ein Jahr. Der Einsatz des digitalen Zwillings verkürzte die Dauer der Programmierung deutlich. Suy Siang Te schätzt den Zeitgewinn gegenüber einer herkömmlichen Vorgehensweise auf etwa 20 Prozent – inklusive der Erstellung des Zwillings. Das digitale Abbild ist auch interessant für künftige Aufträge, da die Funktionalitäten beliebig weiterentwickelt oder angepasst werden können.
Bei der Inbetriebnahme der Anlage blieben dank des digitalen Zwillings unliebsame Überraschungen aus. Steuerung, Antriebe und das neu entwickelte HMI spielen perfekt zusammen und lassen sich bequem im TIA Portal entwickeln, automatisieren und betreiben. Sollte später im Betrieb beim Endkunden ein Problem auftauchen, gewährleistet Siemens via Fernwartung den Support.
Samuel Schuler ist mit dem Projekt sehr zufrieden: „Nach der Montage konnten wir die Anlage schnell in Betrieb nehmen. So hatten wir trotz Termindruck genügend Zeit für Feineinstellungen und Optimierungen. Diese sind ausschlaggebend für die Qualität und Robustheit unserer Maschinen.“
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Die Ruggli AG in Koblenz ist seit 1962 auf die Entwicklung, die Herstellung und den weltweiten Vertrieb von Anlagen zur Produktion von Tampons für die Monatshygiene spezialisiert. Zusätzlich bilden auch die Beratung, Verpackungslösungen und flankierende Dienstleistungen wie die Wartung von Tampon-Maschinen und Retrofit-Programme wichtige Pfeiler im Angebot der Ruggli AG mit ihren 35 Mitarbeitern.
BCT Technology GmbH ist die Schweizer Tochtergesellschaft des führenden deutschen Siemens Digital Industries Software Solution Partners, der BCT Technology AG. Mit einem Fokus auf die Bereiche Product Lifecycle Management und Application Lifecycle Management berät das Unternehmen seine (Industrie-)Kunden in der Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg basierend auf der Technologie von Siemens sowie eigens entwickelten Softwarebausteinen in den Bereichen Qualitätsmanagement, Standardisierung und Ausgabemanagement, welche Siemens wiederum weltweit vertreibt.