3D-Druck von Brillen nach Maß

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Keine herkömmliche Brillenfassung: Digitalisierung und 3D-Druck ermöglichen es You Mawo und Additive Scale, individuelle Brillen zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen.
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Brillen direkt aus dem 3D-Drucker? Kein Problem! Ein Start-up in Deutschland arbeitet am Rande seiner Kapazität, um den schnell wachsenden Brillenmarkt zu bedienen. Siemens unterstützt bei der Finanzierung und als Berater sowie Technologie- und Lösungsanbieter für additive Fertigung.

Für seine neue Brille ließ Karsten Heuser bei seinem letzten Besuch beim Optiker zunächst sein Gesicht mit einem iPad scannen. Anschließend probiert er einige Musterfassungen aus, um das Brillengestell auszuwählen. Unmittelbar danach kann er sich virtuell ein Bild davon machen, wie ihm die neue Brille zu Gesicht steht.

„Dann begann es, richtig interessant zu werden: Der Optiker passte Größe und Winkel des Brillengestells am Bildschirm an mein Gesicht an“, erinnert sich Karsten Heuser. Er wählt eine der 15 verfügbaren Farben für seine neue Brille aus und entscheidet sich, seinen Namen ins Brillengestell eingravieren zu lassen.

Mit einem Klick auf „Senden“ schickt der Optiker die Datei an den 3D-Drucker. Der ganze Vorgang dauert nicht länger als 15 Minuten. Kein endloses Anprobieren von Fassungen. Keine Kompromisse bei Passform und Farbe. Zwei Wochen später holt er seine neue Brille ab. Sein Urteil: „Ich bin hundertprozentig zufrieden“.

Karsten Heusers Bereitschaft, sich auf diese neue Art der Brillenauswahl einzulassen, kommt nicht von ungefähr – er ist Vice President für Additive Manufacturing bei Siemens Digital Industries. Außerdem ist er einer der wichtigsten Siemens-Ansprechpartner für You Mawo, das deutsche Start-up, das Brillen aus dem 3D-Drucker anbietet.

Individuell gefertigte, nachhaltige Brillen

Die 3D-gedruckten Brillen von You Mawo sind sehr gefragt. Sie bieten nicht nur den Vorteil, dass sie maßgeschneidert sind, sondern sie schonen auch die Umwelt. „Eine Standardbrille wird meist in Südostasien hergestellt und hat aufgrund des langen Transportwegs einen großen CO2-Fußabdruck“, meint Daniel Szabo, einer der Gründer von You Mawo.

Eine Analyse ergab kürzlich, dass der 3D-Druck von Brillengestellen einen um 58 Prozent kleineren CO2-Fußabdruck hat als Brillen aus herkömmlicher Fertigung. Dies geht vor allem darauf zurück, dass weniger Abfall entsteht.

Die Zeit ist offensichtlich reif für individuelle, nachhaltige Brillen – und die Gründer von You Mawo wollen sich einen großen Teil an dem auf rund 140 Milliarden Euro geschätzten globalen Brillenmarkt mit 9 Milliarden verkauften Fassungen jährlich sichern.

Bevor sich das Unternehmen ganz auf diesen Wachstumskurs konzentrieren konnte, musste es zunächst eine wichtige Herausforderung bewältigen: Es galt, ausreichende Druckkapazitäten zu schaffen. Dazu gründete You Mawo zusammen mit AM Global das Joint Venture Additive Scale, das in einem Werk in Krailling nahe München die Fertigung von Brillengestellen als Dienstleistung anbietet. Doch die Kapazitäten von Additive Scale waren schnell nahezu ausgeschöpft. Durch Expansion wollte You Mawo seine Vision wahr werden lassen, zu einer treibenden Kraft auf dem deutschen und internationalen Brillenmarkt zu werden. Und hier trat Siemens auf den Plan.

Das langfristige Ziel: Maximale Automatisierung 

Um den wachsenden Bedarf des Markts zu decken, waren zusätzliche Druckkapazitäten erforderlich. Siemens Financial Services arbeitete in kurzer Zeit eine individuelle Leasinglösung aus, mit der die 3D-Druckmaschinen des Technologieanbieters EOS finanziert werden konnten. So gelang es Additive Scale, die Produktion schnell hochzufahren. Gleichzeitig wurde das Risiko, das in hohen Anfangsinvestitionen steckt, ausgeschlossen.

Von Anfang an einen Finanzierungspartner an der Seite zu haben, der die eingesetzte Technologie versteht, macht es zudem einfacher, das Leasingmodell nach Bedarf zu skalieren und anzupassen. Zudem kann bei entsprechender Nachfrage des Marktes schnell ein Pay-per-Print-Abrechnungsmodell angeboten werden.

Allerdings bedeutet „mehr“ nur dann auch „besser“, wenn die Produktion intelligent geplant und standardisiert wird. Das erfordert eine zunehmende Digitalisierung und bringt Spezialisten von Siemens wie Karsten Heuer ins Spiel.

Additive Scale erstellte einen digitalen Zwilling des bestehenden Werks. Dieser half den Beratern von Siemens Advanta, Engpässe aufzudecken und den Produktionsprozess und das Fabrik-Layout zu optimieren. Der digitale Zwilling dient zudem einer sicheren Skalierung der Produktion, um die steigende Nachfrage bedienen zu können.

Für Cloud-Anwendungen wie Apps aus dem MindSphere-Portfolio wurde die Anbindung der vorhandenen Maschinen verbessert. Das Ziel: höchstmögliche Overall Equipment Efficiency (OEE) in einem maximal automatisierten und digitalisierten Werk.

Digitaler Workflow

Ein optimaler digitaler Workflow gewährleistet unter Anderem, die Produktion jedes einzelnen Produkts vollständig rückverfolgen zu können, manuelle Arbeitsgänge weitestgehend zu eliminieren und alle Prozesse mit Blick auf maximale Qualität zu optimieren.

Die Vision von You Mawo und Additive Scale ist eine digitale Fabrik, die den 3D-Druck von Brillengestellen in den verschiedenen Märkten weltweit ermöglicht. „Unser Ziel ist die Errichtung kleiner ‚Satellitenwerke‘ in Märkten einer zuvor definierten Größe, damit wir Kundenaufträge möglichst schnell bearbeiten können“, sagt Daniel Szabo. Wie schnell? „Zehn Minuten pro Fassung wären nicht schlecht“, lautet die Antwort. Die Zukunft wird zeigen, ob dies zu erreichen ist. Die Aussichten auf dem Brillenmarkt sind jedenfalls gut und alle Augen sind auf You Mawo gerichtet.

November 2021

You Mawo ist ein Start-up, das von vier Freunden – unter ihnen zwei Optiker – gegründet wurde. Die Idee zu dem Unternehmen entstand auf einer Rucksack-Reise durch Thailand. Die Freunde fragten sich, warum wir Massenware kaufen, die unserer Individualität nicht gerecht wird. Das wollten die Vier ändern und entwickelten eine Lösung, die es erlaubt, maßgefertigte Brillen mittels 3D-Druck herzustellen. You Mawo steht für „Your Magic World“.

You Mawo

Additive Scale ist ein Joint Venture von You Mawo und AM Global und wurde 2021 mit dem Ziel gegründet, die Produktion von Brillen mittels 3D-Druck zu revolutionieren. Das Unternehmen beliefert Brillenhersteller, Einzelhandelsketten und Verbrauchermärkte, die ihren Kunden maßgefertigte und nachhaltige Brillen anbieten möchten.

Additive Scale

AM Global unterstützt Kunden bei der additiven Fertigung im industriellen Maßstab. Die Experten des Unternehmens bieten Unterstützung bei der Anwendungsentwicklung und der Einrichtung von Pilotwerken. Dabei geht es um Kostensenkung, die Gewährleistung einer hohen Produktqualität und kurze Durchlaufzeiten. Außerdem leistet AM Global Unterstützung beim Ramp-up der Produktion und beim Transfer von AM-Fertigungslösungen an Kunden und Lieferanten.

AM Global

Die EOS GmbH mit Sitz in Krailling bei München bietet Systeme, Werkstoffe, Software und Dienstleistungen für das Laser-Sintern von Kunststoffen und Metallen. Diese Methode erlaubt die schnelle, flexible und wirtschaftliche Fertigung auf der Basis von 3D-CAD-Daten.

EOS

DyeMansion entwickelt innovative Lösungen, mit denen Kunden des Unternehmens marktreife 3D-gedruckte Produkte herstellen können. Von der perfekt sitzenden Brille bis hin zum personalisierten Automobil-Interieur trägt DyeMansion dazu bei, dass 3D-gedruckte Produkte in unseren Alltag Einzug halten.

DyeMansion

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