Industriesoftware: Personalisierte Therapie
Mit einem individualisierten Impfstoff leistet BioNTech Pionierarbeit im Kampf gegen Krebs. Damit dieser personalisierte Wirkstoff schneller in größeren Mengen hergestellt werden kann, setzt das Unternehmen auf eine komplett papierlose Produktion mit Simatic IT eBR und Preactor.
Die Entwicklung individualisierter Therapien galt lange Zeit als gewagtes Experiment, das mit großen Herausforderungen verbunden ist – nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch was die Produktionskosten und -zeiten betrifft. Insbesondere in der Onkologie hat sich in den vergangenen Jahren jedoch gezeigt, dass personalisierte Therapien die Krebsbehandlung in absehbarer Zeit revolutionieren könnten.
Personalisierte Therapie zu erschwinglichen Kosten
Die BioNTech AG in Mainz arbeitet an maßgeschneiderten Medikamenten und entwickelt neuartige, individualisierte Immuntherapien gegen Krebs und andere schwere Krankheiten. Zu diesem Zweck treibt das Biotechnologie-Unternehmen den Aufbau seiner IVAC® Mutanome-Plattform (Individualized Vaccines Against Cancer) voran, mit der personalisierte Krebstherapien rasch und zu erschwinglichen Preisen hergestellt und allgemein verfügbar gemacht werden sollen.
„Die Herstellung des individualisierten Impfstoffs IVAC® Mutanome basiert auf einem standardisierten Prozess, der es ermöglicht, maßgeschneiderte Produkte herzustellen, die sich aufgrund der individuellen Patientenmerkmale in ihrer Zusammensetzung stark unterscheiden“, erläutert Professor Dr. Ugur Sahin, CEO von BioNTech. Dies leitet einen Paradigmenwechsel in der klinischen Entwicklung ein: Im Vordergrund steht nicht mehr das Endprodukt als solches, sondern vielmehr der gesamte Herstellungsprozess des individuell auf den jeweiligen Patienten zugeschnittenen Medikaments, was mit neuen konzeptionellen, regulatorischen, technologischen und klinischen Herausforderungen verbunden ist. Die Immuntherapie mit IVAC® Mutanome basiert darauf, das individuelle Mutationsmuster des Tumors jedes einzelnen Krebspatienten zu entschlüsseln. Auf das Profil der Mutationen werden für jeden Patienten dann passgenau die entsprechenden synthetischen RNA-Impfstoffe hergestellt.
Die Herstellung des individualisierten Impfstoffs IVAC® Mutanome basiert auf einem standardisierten Prozess, der es ermöglicht, maßgeschneiderte Produkte herzustellen, die sich in ihrer Zusammensetzung stark unterscheiden.Prof. Dr. Ugur Sahin, CEO, BioNTech AG
Erfahrener Partner im digitalen Business
Um diese neuartigen Therapien in umfangreichen Studienprogrammen zu erproben und ihre Wirksamkeit nachzuweisen, gibt es zwei wesentliche Voraussetzungen: Zum einen muss die Herstellung der personalisierten Impfstoffe beschleunigt werden, zum anderen müssen sie in größeren Mengen verfügbar sein. Eine höhere Kapazität lässt sich durch Parallelisierung und Beschleunigung der Herstellungsprozesse erreichen. Hierfür ist eine papierlose Produktion notwendig.
Bei der Optimierung der Herstellungszeit und der Produktionskosten arbeitet BioNTech seit 2015 gemeinsam mit Siemens als Partner am Aufbau eines vollautomatisierten, papierlosen und digitalen Herstellungsprozesses, da Siemens bereits viel Erfahrung im Bereich Digitalisierung vorweisen kann. Ugur Sahin erklärt: „Unser Ziel ist es, bereits in weniger als fünf Jahren hunderttausenden Patienten individuell für sie hergestellte Arzneimittel bereitstellen zu können. Dazu ist die Entwicklung und Zusammenführung von Innovationen aus verschiedenen Zukunftsfeldern nötig wie Big Data, künstliche Intelligenz, vollautomatisierte Analytik und Produktionsanlagen. Diese werden zukünftig volldigitalisiert und miteinander vernetzt in verzahnten Prozessen zusammenarbeiten.
Siemens hat unserer Ansicht nach das entsprechende Know-how, um uns hierbei optimal zu unterstützen.“ Darüber hinaus schätzt BioNTech das umfangreiche Portfolio und den großen Mitarbeiterstamm von Siemens, die es ermöglichen, auch solche großen Projekte schnell und zuverlässig zu bewältigen.
Hohe Qualität durch Automatisierung
Für die papierlose Herstellung werden die MES-Lösungen Simatic IT eBR und Preactor eingesetzt. Damit können von allen Produktionsabläufen die notwendigen Informationen abgerufen und anschließend analysiert, archiviert und reportet werden. So lässt sich eine „regulierte“ Flexibilität schaffen, die gerade aus der Pharmaproduktion heute nicht mehr wegzudenken ist. Zeitraubende manuelle Prozesse werden durch diese Lösung fast vollständig eliminiert – ob im Labor, in der Produktion, in der Logistik oder in der Qualitätssicherung. Durch die vollständige Automatisierung kann das Personal optimal eingesetzt, Prozessschritte können korrekt ausgeführt und Freigaben eingehalten werden. Das ist wichtig für die Qualität der Dokumentation und damit für das Erfüllen aller internen und behördlichen Anforderungen.
Durchgängiger Prozess
Durchgängiger Prozess
Da bei der Herstellung der IVAC® Mutanome Impfstoffe über einen Zeitraum von mehreren Wochen eine Kette von Prozessschritten durchlaufen werden muss, ist eine präzise Einsatzplanung unabdingbar. Die ganzheitliche MES-Lösung aus Simatic IT eBR und Preactor verbindet zwei örtlich voneinander getrennte Betriebsstandorte zu einem durchgängigen Prozess – von der (Produktions-)Planung über die Analyse bis zum fertigen personalisierten Medikament in Losgröße 1.
Siemens hat im Vorfeld erfolgreich eine Konzeptstudie durchgeführt und anschließend die funktionalen Spezifikationen in der Blueprint-Phase erstellt. Bestens bewährt haben sich dabei das umfassende Prozess- und Pharma-Know-how sowie die Einbindung eines erfahrenen Projektteams und hochkarätiger Experten. Im Auftragsumfang sind außerdem der FAT und SAT sowie die Erzeugung der Dokumente zur Qualifizierung enthalten.
Pionierrolle als Herausforderung
BioNTech ist durch seine Pionierrolle sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Testung und der Herstellung auf dem besten Weg, die Behandlung von Krebs durch individualisierte mRNA-basierte Immuntherapien grundlegend zu revolutionieren. „Diese Pionierarbeit stellt uns immer wieder vor nie dagewesene Herausforderungen und fordert ständig neue Ideen und Ansätze, um adäquate Lösungen zu finden“, betont Sahin.
Dank der globalen Präsenz von Siemens und der Einbindung eines internationalen Teams wurden alle Voraussetzungen erfüllt, um das von BioNTech geplante globale Rollout der Produktion in Angriff zu nehmen. Die erste Marktzulassung des neuen Impfstoffs ist für das Jahr 2021 geplant.
Picture credits: BioNTech AG
BioNTech ist eine Holding mit mehreren Tochterunternehmen, die alle für die Forschung, klinische Entwicklung und Vermarktung notwendigen Technologieplattformen und Kompetenzen unter einem Dach vereint. Diese Tochtergesellschaften fokussieren sich auf unterschiedliche, komplementäre Biopharmazeutika- und Diagnostik-Plattformen bzw. auf die Herstellung von Arzneimitteln für die Anwendung am Menschen.
Dabei verfolgt das Unternehmen die Strategie, neue Technologien zu entwickeln und Innovationen zusammenzuführen, um individualisierte Behandlungsansätze mit einem einzigartigen medizinischen Potenzial zu entwickeln und zu vermarkten. BioNTech hat sich dadurch in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle im Bereich der personalisierten Krebsimpfstoffe erarbeitet. Da jeder Krebs von Patient zu Patient unterschiedliche Merkmale aufweist, profitieren im Durchschnitt nur 15–30 Prozent der Krebspatienten mit einem fortgeschrittenen Tumor von den gängigen medikamentösen Behandlungsansätzen.
Durch eine auf den Krebs und den Patienten maßgeschneiderte Behandlung erwartet man sich einen deutlich größeren Therapieerfolg und eine bessere Chance auf Heilung.
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