Im Rausch der Tiefe
Mattblaues Licht, ein gedämpftes Brummen von Pumpen sowie das Rauschen und Plätschern von Wasser bestimmen die Atmosphäre im National Sea Simulator. Die Einrichtung mit modernster Automatisierungs- und Antriebstechnik soll dabei helfen, die tropischen Unterwasser-Ökosysteme zu schützen.
Das Great Barrier Reef ist als größtes Korallenriff einer der spektakulärsten und atemberaubendsten Lebensräume der Erde. Das Riff erstreckt sich über 2.300 Kilometer entlang der Nordostküste Australiens und ist mit rund 344.000 Quadratkilometern ungefähr so groß wie Deutschland. Seit 1981 ist es Weltnaturerbe. Die Erwärmung und Versauerung des Ozeans, Umweltverschmutzung und natürliche Feinde der Korallen wie der Dornenkronenseestern bilden ernste Gefahren für das Unterwasserparadies. Wissenschaftler am Australian Institute of Marine Science (AIMS) erforschen, wie dieser sensible Lebensraum erhalten werden kann. Mit Technologie von Siemens wird das Riff dazu im neuen, einzigartigen National Sea Simulator (SeaSim) simuliert.
Simulation der Bedingungen im Ozean
AIMS ist eine Forschungseinrichtung der australischen Regierung, und hat sich auf die tropische Unterwasserwelt spezialisiert. Im SeaSim-Forschungsaquarium, das im August 2013 in Townsville, ganz in der Nähe des Great Barrier Reef eröffnet wurde, können die AIMS-Forscher die im Ozean herrschenden Bedingungen nachbilden. Sie untersuchen, wie sich Naturereignisse und der Einfluss des Menschen auf das Riff mit seinen 1.625 Fischarten, über 600 Stein- und Weichkorallenarten, 133 Hai- und Rochenarten, sechs der sieben bedrohten Meeresschildkrötenarten, rund 3.000 verschiedenen Weichtierarten sowie Tausenden Arten von Schwämmen, Würmern, Krustentieren, Stachelhäutern und Meeressäugern auswirken.
Laut Mark Read, dem Operations Support Manager der Great Barrier Reef Marine Park Authority, hat das Riff eine große wirtschaftliche Bedeutung und bringt Australien jährlich rund 5,6 Milliarden AU$ ein. „Das Riff sichert auch fast 70.000 Arbeitsplätze“, sagt er. „Davon fallen etwa 64.000 in den Bereich Tourismus. Es ist jedoch sehr schwierig, den Wert des Gebiets in Dollar anzugeben, wenn man dessen Wert für die Natur mit einbeziehen will. Der Gesamtwert ist auf jeden Fall enorm.“
Aus diesem Grund ist es wichtig, dieses Ökosystem zu simulieren, um die Auswirkungen von Klimawandel, Korallenbleiche, Sedimenten und Schadstoffen sowie Schädlingskontrolle und Salzwassertechnologien besser verstehen zu können. „SeaSim eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten hinsichtlich der Komplexität unserer Experimente. Die Technologie von Siemens unterstützt alle Überwachungssysteme im SeaSim. Wir können eine Vielzahl von Umweltparametern untersuchen, die sich auf die Meeresorganismen auswirken – das war vorher nicht möglich“, erklärt Dr. David Souter, AIMS-Forschungsdirektor. „Das AIMS verfügt über verschiedene Einrichtungen, aber das SeaSim ist die spektakulärste von allen.“
Meeressimulationssystem mit industrieller Technik
Im Zentrum des SeaSim-Projekts stand die Entwicklung eines umfassenden Automatisierungssystems für Anlagen und Prozesse, das eine hohe Qualität der Meeresforschung in einer Aquariumumgebung gewährleisten sollte. AIMS sah sich dafür verschiedene Steuerungslösungen an, bevor die Entscheidung schließlich für Simatic PCS 7 fiel. Überzeugt hatte das Prozessleitsystem von Siemens vor allem durch seine Erfolgsbilanz in industriellen Anwendungen bezüglich seiner Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit. Diese Eigenschaften sind für die Forschung des AIMS besonders wichtig, da die Teams mehrere Experimente simultan über längere Zeiträume durchführen müssen.
Die ursprüngliche Automatisierungslösung wurde vom Siemens Solution Partner SAGE Automation entwickelt, einem der führenden unabhängigen Systemhäuser für Automatisierungs- und Steuerungstechnik in Australien. Das Unternehmen sollte ein hochzuverlässiges, skalierbares Leitsystem bereitstellen, das eine hohe Messgenauigkeit und die Steuerung von kritischen Prozessvariablen genauso möglich macht wie langfristiges Data-Logging und das Reporting für große Datenmengen. „Das Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie industrielle Technik erfolgreich in einem neuen Rahmen angewendet werden kann“, so Adrian Fahey, CEO von SAGE Automation. „Die Lösung wird von hochpräziser Datenerfassung und Berichterstattung bestimmt.“
Die Anlagenautomatisierung basiert auf dem Leitsystem Simatic PCS 7 und besitzt einen zweifach redundantem OS-Server und mehreren OS-Clients für die lokale Bedienung. PCS 7 bindet auch eine Reihe von Package Units für einzelne Experimente ein, die mit Simatic S7-1200/S7-1500-Steuerungen über Industrial Ethernet als Kommunikations-Backbone automatisiert sind. Darüber hinaus lieferte Siemens auch drehzahlveränderbare Antriebe des Typs Sinamics, die über Profibus an das Leitsystem angebunden sind. Um eine langfristige Datenverfügbarkeit zu gewährleisten und den Forschungsteams Funktionen für Data-Logging und Archivierung bereitzustellen, umfasst die Lösung auch einen Simatic Process Historian/Simatic Information Server.
Mehrere Siemens-Komponenten als Paket zu beziehen, zahlte sich aus: Neben einem wesentlich geringeren Engineeringaufwand profitiert das AIMS auch von einer höheren Verfügbarkeit von Informationen im PCS 7-Leitsystem, unter anderem von Diagnose- und Wartungsinformationen zu den drehzahlveränderbaren Antrieben.
Technik für bessere Versuchsbedingungen
Seit der Inbetriebnahme aller Systemkomponenten steuert das PCS 7 die Umkehrosmoseanlage und den Versuchsbereich der Forschungseinrichtung. Das Leitsystem sorgt für die präzise Regelung von Temperatur, Säure- und Salzgehalt, Sedimentation und Schadstoffgehalt in den großen Salzwasseraquarien der SeaSim-Anlage, in der Wissenschaftler aus Australien und anderen Ländern untersuchen, wie sich die Wasserqualität auf tropische Meeresorganismen und -ökosysteme auswirkt. Craig Humphrey ist als Precinct Operations Manager des SeaSim begeistert von den Funktionen, die das hochmoderne Leitsystem bietet. „Bis heute haben wir über 70 Einzelexperimente im SeaSim durchgeführt, von denen manche einige Tage oder Wochen dauerten, manche aber auch über viele Jahre laufen werden. Durch den beispiellos hohen Steuerungsgrad, den das Leitsystem von Siemens ermöglicht, können wir nun Versuche durchführen, von denen wir vorher nur träumen konnten. Simatic PCS 7 sorgt für stabile Kernprozesse mit hoher Verfügbarkeit und verhindert, dass eine einzelne Fehlerstelle im Leitsystem die primäre Steuerung der Experimente beeinträchtigen kann. Das Prozessleitsystem übernimmt auch die effektive Ablaufsteuerung für die primären Systeme. Außerdem ermöglicht es uns, bezahlbare maßgeschneiderte Steuerungen in drei IEC 61131-3-Programmiersprachen für die SPS zu konzipieren und zu implementieren. Mit PCS 7 und TIA (Totally Integrated Automation) können wir branchenführende, hochmoderne Steuerungen speziell für die wissenschaftliche Erforschung von Meeresorganismen entwickeln.“
»Das Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie industrielle Technik erfolgreich in einem neuen Rahmen angewendet werden kann. Die Lösung wird von hochpräziser Datenerfassung und Berichterstattung bestimmt.«Adrian Fahey, CEO, SAGE Automation
Schutz des Lebensraums Ozean
Die Steuerungstechnik und die von ihr bereitgestellten Daten helfen den Wissenschaftlern dabei, Lösungen dafür zu finden, wie die tropischen Unterwasserwelten vor den Auswirkungen des Klimawandels geschützt werden können. Das stärkt Australiens Ruf als weltweit führende Nation in der Forschung zu tropischen Meeresökosystemen. Die Automatisierungstechnik von Siemens ist dabei zu einem integralen Bestandteil eines Projekts geworden, das weit über das SeaSim hinausgeht: die Erhaltung des Great Barrier Reef und anderer Meeresökosysteme auf der ganzen Welt.Die Steuerungstechnik und die von ihr bereitgestellten Daten helfen den Wissenschaftlern dabei, Lösungen dafür zu finden, wie die tropischen Unterwasserwelten vor den Auswirkungen des Klimawandels geschützt werden können. Das stärkt Australiens Ruf als weltweit führende Nation in der Forschung zu tropischen Meeresökosystemen. Die Automatisierungstechnik von Siemens ist dabei zu einem integralen Bestandteil eines Projekts geworden, das weit über das SeaSim hinausgeht: die Erhaltung des Great Barrier Reef und anderer Meeresökosysteme auf der ganzen Welt.
»Mit Simatic PCS 7 und TIA können wir branchenführende, hochmoderne Steuerungen speziell für die wissenschaftliche Erforschung von Meeresorganismen entwickeln.«Craig Humphrey, SeaSim Precinct Operations Manager
18.05.2016
Picture credits: Christian Miller/Siemens AG
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