Ruckzuck zur Tablette
Gesund werden, ein lebenswertes Leben führen können – die dafür dringend benötigten Medikamente von Pfizer sollen Patienten weltweit kontinuierlich und in konstanter Qualität zugänglich sein. Am Standort Freiburg wurde dafür die Produktion von Tabletten und Kapseln weiter automatisiert und digitalisiert.
„Wir sind auf einem guten Weg zur Industrie 4.0“, sagt Michael Becker, bei Pfizer Deutschland verantwortlich für Global Engineering. Ohne Digitalisierung sei das aktuelle Projekt nicht möglich gewesen.
Digitalisierung, das heißt in der Freiburger Produktion, dass in jeder Millisekunde an Milliarden von Punkten Daten erfasst und ausgewertet werden. Dabei greift die Steuerung direkt auf die Daten zu und kann sofort auf die Messergebnisse reagieren. „Die Qualität wird laufend gemessen, die Steuerung reagiert unmittelbar darauf“, so Becker. Keine Laborprüfung mehr. Auch ein Musterzug entfällt. Alles läuft automatisch.
Nah dran am „Traum eines jeden Pharmazeuten“
„Man gibt die verschiedenen Stoffe vorne in den Prozess und am Ende kommt eine fertige Kapsel raus“, so beschreibt Becker den „Traum eines jeden Pharmazeuten“. Mit der Continuous Manufacturing Technology (CMT) sei Pfizer diesem Traum schon ein bisschen näher gekommen. Die Lebensmittelindustrie habe es vorgemacht; Pfizer-Kollegen in Groton, Connecticut, USA, haben daraufhin die kontinuierliche Fertigungstechnologie entwickelt. Nun wird die CMT weltweit eingeführt, eben auch in Freiburg.
Sie macht die Produktion deutlich schneller und flexibler. Becker hat in den letzten Jahren beobachtet, dass die Nachfrage nach Medikamenten immer stärker schwankt. Um veränderte Volumina abbilden zu können, habe Pfizer in Freiburg in der Vergangenheit bis zu vier Monate benötigt. „Im Zuge der CMT brauchen Sie nur an einer kleinen Stellschraube drehen, dann fährt die Anlage schneller oder langsamer, das heißt, innerhalb von Minuten haben Sie sich auf den neuen Markt eingestellt“, sagt Becker.
MES als zentrales Element
Das Manufacturing Execution System (MES) übernimmt eine Schlüsselrolle im IT- und Automatisierungsprojekt der Freiburger Produktion des Pfizer-Konzerns: Es ist das Bindeglied zwischen der Prozesssteuerung und dem Electronic-Batch-Record-System (EBR) für die elektronische Dokumentation der Produktion, verwaltet das gesamte Equipment sowie die Prozessketten und integriert sämtliche unterlagerte und übergeordnete Systeme zu einer durchgängigen Lösung für die Datenerfassung und -aufbereitung.
Die Automatisierungslösung basiert auf Simatic IT. Für die Steuerung der neuen Anlagenteile setzte das Projektteam leistungsfähige und hochverfügbare Simatic S7 Controller ein, für die Visualisierung der Prozesse ein Simatic WinCC SCADA-System. Neben dem Regalbediengerät im Hochregallager mit einer Simatic S7-1500 als Kopfsteuerung wurden auch ein Senkrechtförderer für die Versorgung der Anlagen im Erd- und Obergeschoss mit Bulk- und Granulat-Containern in die neue MES-Lösung eingebunden. Die einzelnen Systeme arbeiten nahtlos zusammen und ermöglichen einen reibungslosen Ablauf der Prozesse.
Logistik optimiert
Als sich Pfizer entschloss, die Produktion durch eine neue, kontinuierliche Anlage zu erweitern, brachte das Unternehmen gleichzeitig auch die Systeme für den Materialtransport und Produktionssteuerung auf eine einheitliche Plattform.
Zahlreiche Produktionsschritte und ein Regalbediengerät mit 120 Big-Bag-Plätzen mussten dafür in den automatischen Materialtransport und die Prozessautomatisierung integriert werden. Im Neubau für die kontinuierliche Fertigung wurden zudem die Anlagen für die kontinuierliche Einwaage und Produktion automatisiert und mit einer elektronischen Prozessdokumentation ausgerüstet.
Auch die Umwelt zählt zu den Gewinnern
„Pfizer hat immer auch die Umwelt im Blick“, sagt Becker. „Wir machen ,end to end´-Betrachtungen und versuchen, möglichst umweltschonende Systeme in unsere Prozesse einzubauen.“ Allein in diesem Projekt wurde der Transport von Rohstoffen mit Lkw um fast 50 Prozent reduziert. Solar-thermische Lufttrocknungsanlagen trocknen die für die Produktion benötigte Luft. Das gesamte Gebäude wird mit LED beleuchtet; im Prozess entstehende Wärme und Kälte wird zurückgewonnen.
Arbeit im Hochlohn-Land Deutschland
Eine Frage, die Michael Becker immer wieder gestellt wird, ist, ob es sich lohne, in einem Hochlohnland wie Deutschland in die automatisierte und digitalisierte Produktion zu investieren. „Deutschland ist ein Land mit hohem Ausbildungsgrad. Unsere Mitarbeiter sind sehr qualifiziert, automatisierte Systeme zu betreiben und auch zu verstehen“, sagt er. „Man produziert hier also bei einem hohen Automatisierungsgrad genauso effizient, vielleicht sogar effizienter, als in einem Land mit niedrigeren Lohnkosten.“
Viele Effizienzgewinne
Mit der neuen Automatisierungs- und Digitalisierungslösung kann Pfizer in Freiburg nun alle Abläufe kontinuierlich überwachen und so seine Qualitätsstandards weiter steigern. Die Prozesse sind flexibler als bisher und lassen sich besser an den aktuellen Bedarf anpassen. Die digitale Verwaltung und Dokumentation der Prozesse liefert zudem wertvolle Informationen, um die Effizienz der Freiburger Produktion laufend zu verbessern.
Die Daten aus den Prozessen können genutzt werden, um mit prozessorientierten Kennzahlen die Qualität der Prozesse und Produkte und die Performance der Anlagen online zu verifizieren. Die Folge: Die Medikamente können schneller freigegeben und ausgeliefert werden.
In einem weiteren Schritt lassen sich so auch Technologien und Prozesse an verschiedenen Standorten analysieren und miteinander vergleichen – ein wichtiger Aspekt für ein global agierendes Unternehmen. Und nicht zuletzt können neue Produkte und Prozesse gemeinsam entwickelt und zur Marktreife gebracht werden.
Reibungslose Produktion für den Patienten
Die Tabletten und Kapseln aus Freiburg werden in der Behandlung von Krebs-, Schmerz- und Herzpatienten eingesetzt. „Wir haben immer im Hinterkopf, dass die Produktion den Patienten dient und nicht etwa einer Technik oder einer Organisation“, sagt Becker. Deshalb hat Qualität für ihn Priorität, gefolgt von der Versorgungssicherheit. „Kein Patient darf auf eines unserer Produkte warten müssen.“
30.04.2018
Email: alma.mirojevic@siemens.com
Wenn Menschen krank werden, können sich viele Dinge für sie verändern – ein oft schwieriger Weg beginnt. Mehr als 10.000 Forscher und etwa 97.000 Mitarbeiter arbeiten bei Pfizer daran, Menschen auf diesem Weg zu unterstützen. Sie entwickeln und vertreiben innovative Medikamente und Impfstoffe sowie einige der weltweit bekanntesten rezeptfreien Produkte. Das Unternehmen mit Hauptsitz in New York, USA, erzielte im Geschäftsjahr 2016 einen Gesamtumsatz von 52,8 Milliarden US-Dollar. In Deutschland beschäftigt Pfizer derzeit mehr als 2.000 Mitarbeiter an drei Standorten: Berlin, Freiburg und Karlsruhe.
Das Arzneimittelwerk in Freiburg wurde 1866 von Gödecke und Co. aufgebaut, die seit Ende der 1920er Jahre zur amerikanischen William W. Warner Company, später Warner-Lambert, gehörten. Seit der Fusion von Pfizer mit der Warner-Lambert-Gruppe im Jahr 2000 gehört der Standort zu Pfizer. Heute ist Freiburg das größte Abpackwerk fester Arzneiformen und strategischer Produktionsstandort von Pfizer weltweit; besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Markteinführung von neuen Tabletten und Kapseln.
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