Energy for Industry: Vom Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor
Energiekosten machen in der produzierenden Industrie bis zu zehn Prozent der gesamten Produktionskosten aus. In energieintensiven Branchen, wie der Stahl- oder Wasser- und Abwasserwirtschaft, sogar bis zu 40 Prozent. Energiemanagement ist für jeden Produktionsleiter ein Muss um Kosten zu sparen und Produktionsausfälle zu vermeiden. Und wer noch weiterdenkt, plant vorausschauend die Erzeugung, Speicherung und Rückgewinnung von Energie.
„Die Industrie muss den Energiefluss in Anlagen und Fabriken kontrollieren und optimieren, um zukunftsfähig zu bleiben“, sagt Florian Güldner, Director of Research bei der ARC Advisory Group, einem der weltweit führenden Beratungsunternehmen für die Industrie. Denn steigende Energiekosten, neue Versorgungsmodelle und strenge Umweltauflagen machen energieeffiziente Produktionsprozesse zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor – egal in welcher Branche. So sind neben einer flexiblen und automatisierten Produktion der gezielte Einsatz von Ressourcen und deren Verteilung im Werk ein wichtiges Thema. „Um effizient zu produzieren, müssen die Unternehmen ihren Energieverbrauch optimieren – denn ein hoher Verbrauch zur falschen Zeit, ungenutzte Potenziale oder im schlimmsten Fall Ausfallzeiten, kosten viel Geld. Und das bezahlt einem am Ende keiner“, so Güldner.
Energiefresser Produktion
„Lange haben sich viele Branchen nicht um den Energieverbrauch gekümmert“, weiß Güldner. Die Versorgung war gesichert, die Preise niedrig und stabil. Doch zwischen den Jahren 2000 und 2010 sind die Preise für Endenergie – Kraftstoff, Gas, Fernwärme oder Strom – um 70 Prozent gestiegen. Langfristig gehen Prognosen davon aus, dass sie noch weiter steigen. Die produzierende Industrie betrifft diese Entwicklung besonders. Laut einer Studie der US-amerikanischen Energy Information Administration ist sie mit 51 Prozent der größte globale Energieverbraucher. In Deutschland liegt ihr Anteil bei knapp 30 Prozent. So fällt der Industrie auch beim Klimaschutz eine wichtige Rolle zu.
„Man merkt, dass sich etwas verändert, sowohl bei der Industrie selbst, als auch bei der Energieversorgung“, so Güldner. Der Ausbau regenerativer Energien, Dezentralisierung sowie Digitalisierung beeinflussen aber auch die Versorgungsqualität. Der Experte ergänzt: „Moderne Regelungstechnik und Speichertechnologien spielen eine größere Rolle. Sie verhindern, dass Veränderungen bei der Energieversorgung in Produktionsproblemen enden. Im besten Fall managen sie die Energie in einer Fertigungshalle so intelligent, dass Energie vom reinen Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor werden kann.“
Einsparen beim Verbrauch
Doch wo verbergen sich für Anlagenbetreiber Energiesparpotenziale? „Wichtig ist, dass der Ansatz ganzheitlich ist und Energieflüsse komplett transparent werden“, erklärt Güldner. Man muss also alles betrachten: die Energieerzeugung, den Energieverbrauch von Maschinen und Anlagen sowie Beleuchtung und Klimatisierung einer Fabrik.
Weil sie so gut wie alles antreiben, sind etwa Motoren mit rund 70 Prozent der größte Stromverbraucher in der Industrie. Innovative und effizientere Antriebstechnik wie der Reluktanzmotor helfen aber weitere Potenziale beim Thema Energieeffizienz freizusetzen.
Ganzheitlich betrachten heißt aber auch schon in der Planungsphase das Thema Energie zu berücksichtigen. So beispielsweise bei der Produktplanung: „Wenn wir im Detail wissen, wie Maschinen und Anlagen in einer Produktion betrieben werden, können wir schon beim Design verborgene Einsparpotenziale erkennen“, sagt Dr. Karlheinz Bourdon, Senior Vice President KraussMaffei Technologies. „Nur gut konstruierte Produkte sind maximal energieeffizient – und sparen bis zu 35 Prozent Energie ein.“
Energie in der Produktionsplanung
Die Stromerzeugung wurde bislang dem Bedarf angepasst. „In Zukunft muss es auch umgekehrt möglich sein“, konstatiert Güldner. „Die Unternehmen müssen Energie dann nutzen, wenn sie zur Verfügung steht – soweit es möglich ist.“ Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sich Anlagenbetreiber über vier Kernthemen der Energieversorgung Gedanken machen: Erzeugung, Speicherung, Überwachung und Steuerlösungen. Der Faktor Energie muss also auch bereits in die Produktionsplanung integriert werden. Denn effiziente Anlagen sind im Vorfeld planbar – etwa durch Simulation. „Bei manchen Fertigungsabläufen verbergen sich durch verbesserte Prozesse Energieeinsparungen von bis zu 40 Prozent“, weiß Michael Kratzert, bei der Homag Group AG verantwortlich für das Engineering. „Das Geheimnis ist, nicht nur einzelne Maschinen zu optimieren, sondern das Zusammenspiel der gesamten Anlage.“
Sinnvolle Energieverteilung
„Jeder, der für Produktionslinien verantwortlich ist, verantwortet auch das Thema Energie. Derjenige, der beides frühzeitig synchronisiert, hat am Ende einen klaren Wettbewerbsvorteil“, beschreibt Florian Güldner den Kern des Energiemanagements. Die beiden Themen Energieerzeugung und -verbrauch gehen mit der Energieverteilung Hand in Hand. So muss etwa die Versorgung industrieller Anlagen auf die jeweiligen Ansprüche zugeschnitten sein – und darüber hinaus auch sicher und verfügbar, um Produktionsausfälle zu verhindern. Die maßgeschneiderten Lösungen helfen zudem dabei, das Stromverteilernetz intelligent zu machen, um bei den wachsenden und schwankenden Energiemengen aus regenerativen Quellen stabil zu bleiben. Mit den richtigen Technologien können Fertigungen nicht nur vorausschauend geplant und optimal betrieben werden, sie können bei Bedarf auch Anpassungen problemlos meistern. Nur dann wird Energie vom Kosten- zum Erfolgsfaktor.
01.02.2017
Picture credits: Siemens AG
Schätzungen zufolge entfallen 42 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs allein auf die Fertigungsindustrie – der Stromverbrauch ist hier in den letzten 40 Jahren dreimal so schnell gestiegen wie der Energieverbrauch insgesamt. Dabei sind die Einsparpotenziale bei weitem nicht ausgeschöpft. Nach der Untersuchung der Siemens Financial Services (SFS) reichen sie von 19,1 Prozent in Russland bis zu 14,2 Prozent in Großbritannien und 14,5 Prozent in Deutschland. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat errechnet, dass sich durch kumulierte Investitionen in der Industrie in Höhe von 1,1 Billionen US-Dollar bis 2035 Einsparungen bei den Energiekosten von 3,3 Billionen Dollar erreichen lassen.
Bei der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris im Dezember 2015 wurde ein neues globales Klimaabkommen geschlossen, das die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C begrenzen soll. 196 Länder, darunter die USA und China, unterschrieben das Abkommen.
Die Studie „Connecting Possibilities – Scenarios for Optimizing Energy Systems“ teilt die wichtigsten Staaten der Erde in fünf verschiedene Kategorien ein, darunter „Energy-hungry“ und „Green Pioneers“. Sie geht davon aus, dass die Länder mit großem Energiehunger den größten Einfluss auf die zukünftige globale Energielandschaft haben und 2030 für 42 Prozent der Stromerzeugung stehen.
Länder wie China, Argentinien, Brasilien, Russland oder Mexiko sind gerade dabei den großen Energiebedarf ihrer wachsenden Volkswirtschaften zu befriedigen. Dafür benötigen sie ungehinderten Zugang zu Energie, möglichst ohne Importe. Durch den Einsatz von Kohle als Hauptenergiequelle sind diese Länder Haupttreiber der weltweiten CO2-Emmissionen. Die Modernisierung von Kraftwerken, den Ausbau von regenerativen Energien aber auch ein ressourcenschonendes Energiemanagement in Fabriken und Anlagen sind in diesen Ländern Hebel um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
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