Im Sprint zu digitalen Lösungen
Für die Wartung seiner Kundenanlagen entstanden dem Technologieanbieter für Wasseraufbereitungsanlagen EnWat bislang sehr hohe Kosten. Eine digitale Lösung zur Fernüberwachung schafft nun Abhilfe. Entwickelt wurde sie im Siemens MindSphere Application Center (MAC) in Alpharetta, Georgia (USA), gemeinsam mit dem Kunden.
Spezielle Ausrüstungen erfordern professionelle Wartung durch Experten. So auch die chemikalienfreie Technologie zur Wasseraufbereitung, die vom deutschen Unternehmen EnWat hergestellt und gewartet wird. Doch ohne zentrale Steuerung und einheitliche Überwachung gestaltete sich die Wartung der Kundenanlagen bislang teuer und zeitaufwändig.
Klaus Strätz, Geschäftsführer von EnWat, reichte daher 2018 einen Anwendungsfall (use case) für die MindSphere Open Space Challenge ein, um eine geeignete Lösung erarbeiten zu lassen. Im Rahmen dieser Challenge entwickeln verschiedene Teams digitale Lösungen für unterschiedliche Anwendungsfälle. Für den Anwendungsfall von EnWat kürte eine Expertenjury schließlich das Konzept des Siemens MindSphere Application Center (MAC) in Alpharetta, Georgia, zum Gewinner.
Digital überwachen per App
Heute, ein Jahr später, nutzt EnWat ein digitales Überwachungssystem für sämtliche Unternehmensstandorte. Neunzig Prozent der bislang durchgeführten Standortbesuche sind damit nicht mehr notwendig.
Sein Name: Water Treatment Monitoring (WatMon). Über gesicherte Verbindungen erfasst diese für EnWat entwickelte MindSphere-Applikation Daten aus verteilten Systemen und analysiert sie mit modernsten Algorithmen. Für den Fall, dass ein kritisches Ereignis eintritt, werden spezifische, vom Anwender definierte Alarmmeldungen ausgelöst. Ein global zugängliches Dashboard visualisiert relevante Informationen und Betriebsparameter, und sorgt so für hohe Prozesstransparenz. Die Applikation unterstützt die Echtzeit-Fernüberwachung dezentraler Anlagenkomponenten über einen Internetbrowser, der via Deskop, Smartphone oder Tablet aufgerufen werden kann. Mit dieser Funktion lassen sich die Wartungsmaßnahmen einfach durchführen, planen und verfolgen, und das überall und zu jeder Zeit.
Kundennutzen im Mittelpunkt
Für die Entwicklung dieser Lösung wurde die Lean-Startup-Methode eingesetzt. „Das Beste an diesem Konzept ist, dass es die Lösung schneller zum Kunden bringt“, erläutert Firas Khalil, Head of Digital Enterprise Lab Americas bei Siemens.
Im ersten Schritt findet ein Workshop zur Ideenfindung statt, der den MAC-Mitarbeitern Gelegenheit bietet, den Anwendungsfall tiefer zu durchdringen. Dabei erfahren sie mehr über etwaige Schwierigkeiten und die Ziele des Kunden. Im Falle von EnWat zeigte sich, dass sich die Mitarbeiter vom Hauptsitz des Unternehmens aus an jedem einzelnen Standort einwählen mussten, um bestimmte Prozessparameter abzufragen und zu prüfen, ob die Anlagen vor Ort ordnungsgemäß arbeiten. Dies war notwendig, da kein SCADA-System (Supervisory Control and Data Acquisition) vorhanden war.
„Da ihnen wichtige Informationen fehlten, mussten die Servicetechniker die Standorte besuchen. Oft bedeutete das bis zu 300 Kilometer zurückzulegen, nur um festzustellen, dass bei einer Anlage tatsächlich alles in Ordnung ist“, erklärt Strätz. Mit den Informationen aus dem Workshop zur Ideenfindung wurde schließlich ein Konzept entwickelt, das sich gezielt auf den Kundenmehrwert konzentriert.
Der Kunde als Partner
Sobald dieses Konzept vorliegt, startet die nächste Phase anhand eines sog. Minimum Viable Product (MVP; Produkt mit minimalem Funktionsumfang). Bei diesem nutzerorientierten Designkonzept werden übergeordnete Aufgaben in einzelne Schritte untergliedert, die in Sprints mit realen Daten aus den Kundenanlagen bearbeitet werden. Alle zwei Wochen präsentiert das Team die Ergebnisse und erhält Kundenfeedback, das direkt in den nächsten Sprint einfließt.
„Dank dieses Co-Creation-Konzepts weiß der Kunde jederzeit, in welche Richtung wir gehen. Damit vermeiden wir etwas zu realisieren, was der Kunde gar nicht möchte. Auf diese Weise können wir skalierbare Applikationen mit schnellen Markteinführungszeiten entwickeln“, sagt Michael Sonst, Head of Product & Solution Development im MAC. Außerdem hat die Erfahrung gezeigt, dass die starke Einbindung der Kunden insgesamt zu höherer Zufriedenheit mit den entwickelten Produkten und Lösungen führt.
In Rekordzeit zur neuen App
Nach einer Pilotphase kann die App schließlich offiziell eingeführt werden – im Falle des EnWat-Projekts innerhalb von nur einem Jahr. „Früher dauerte die Umsetzung solcher Softwareprojekte viel länger. Ein Jahr ist dafür wirklich sehr kurz“, sagt Loveleen Sharma, Produktverantwortliche für die WatMon-App bei Siemens.
Eine wichtige Rolle spielte auch die Erfahrung des Alpharetta-Teams in der Prozessindustrie sowie sein spezielles Know-how im Bereich der Digitalisierung. Ein Beispiel dafür ist Smart Mining, das durch Echtzeit-Analysen und Optimierungen für Mining-Aktivitäten darauf abzielt, ungeplante Ausfallzeiten zu reduzieren. Bei Unregelmäßigkeiten bietet es Zugang zu Know-how in der Cloud, um die dafür in Frage kommenden Ursachen zu ermitteln und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Für mehrere Branchen geeignet
Die WatMon-App wurde für EnWat entwickelt, um die innovative Technologie zur Trinkwasseraufbereitung an verschiedenen Standorten effizienter zu warten. Darüber hinaus eignet sich die Lösung auch für alle Branchen, in denen eine zentrale Analyse dezentraler Anlagen sinnvoll ist. Die WatMon-App ist ab sofort im MindSphere App Store verfügbar.
Alpharetta gilt aus mehreren Gründen als idealer Standort für das MindSphere Application Center. Beispielsweise ist der Hartsfield-Jackson International Airport südlich von Atlanta ein wichtiger Drehkreuzflughafen, der Ziele in aller Welt bedient. 80 Prozent der US-Bevölkerung leben zwei Flugstunden von Atlanta entfernt. Alpharetta befindet sich auch in unmittelbarer Nähe zum Georgia Institute of Technology, einer großen technischen Universität und einem Partner für Forschungstätigkeiten. Außerdem sind Branchengrößen wie Georgia-Pacific und Coca-Cola sowie die US-Zentrale von Mercedes-Benz in der Region angesiedelt.
Das MindSphere Application Center (MAC) für die verarbeitende Industrie und Antriebstechnik in Alpharetta ist Teil eines größeren Siemens-weiten globalen Netzwerks von 20 Centern, die sich jeweils auf eine bestimmte Branche fokussieren. Insgesamt arbeiten in den Centern rund 940 Softwareentwickler, Datenspezialisten und Ingenieure an digitalen Lösungen – und das auch regelmäßig standortübergreifend. Für viele Kunden dienen sie als erste Anlaufstelle, um digitale Lösungen zu entwickeln und die digitale Transformation in ihren Unternehmen weiter voranzutreiben.
Die 2007 gegründete EnWat GmbH mit Hauptsitz in Nordbayern produziert und wartet Technologien zur chemikalienfreien Trinkwasseraufbereitung. Zu ihren Kunden gehören Gemeinden, Brauereien und Getränkehersteller sowie kleinere Unternehmen mit eigener Wasserversorgung wie Bauernhöfe, Hotels und Golfplätze. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Lösungen zur Klärschlammtrocknung an.
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