Datentransparenz in Deutschlands größtem Wasserwerk
Die gigantische Menge von rund 125 Millionen Kubikmeter Trinkwasser verteilt die Bodensee-Wasserversorgung jährlich an vier Millionen Baden-Württemberger. Gigantisch ist auch der Stromverbrauch der Pumpen in Deutschlands größtem Wasserwerk. Doch es gab Optimierungspotenzial.
Trinkwasser aus dem volumenmäßig zweitgrößten Binnengewässer Mitteleuropas in die wasserärmeren Regionen Baden-Württembergs zu fördern – das ist die Aufgabe des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung. 320 Städte und Gemeinden mit vier Millionen Einwohnern beziehen hier ihr Trinkwasser. Bis zu 7.755 Liter Bodenseewasser pro Sekunde werden in 60 Metern Tiefe bei Überlingen entnommen.
Über riesige Entnahmeköpfe strömt das Wasser in die drei 1,30 bis 1,60 Meter dicke Stahlleitungen, die zum Seepumpwerk Süßenmühle führen, und wird dann von sechs mächtigen Pumpen in die Aufbereitungsanlagen auf den 312 Meter höher gelegenen Sipplinger Berg gepumpt.
Anschließend tritt das gereinigte Bodenseewasser seine Reise durch das insgesamt 1.700 Kilometer lange Leitungsnetz an, um nach etwa sieben Tagen bei den am weitesten entfernten Verbrauchern im nordwürttembergischen Bad Mergentheim anzukommen – rund 250 Kilometer von der Entnahmestelle in Sipplingen entfernt. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die aufgrund der großen Pumpen und der komplexen Aufbereitungstechnik hohe Anforderungen an die Elektrotechnik stellt und sehr energieintensiv ist. Der Gesamtbedarf an elektrischer Energie liegt bei rund 155 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.
Datenerfassung up to date
Seit 2013 ist die Bodensee-Wasserversorgung nach DIN EN ISO 50001 zertifiziert und kann deshalb Steuerentlastungen für Großverbraucher nach dem Stromsteuergesetz beanspruchen, vorausgesetzt, die Verbrauchsdaten werden kontinuierlich erfasst.
In der Vergangenheit wurden die Daten umständlich manuell erfasst. Man entschied sich daher für einen Umstieg auf eine automatisierte Energiedatenerfassung mit einer Energiemonitoring-Lösung. „Es ging uns vor allem darum, die Messgenauigkeit und die Datenqualität zu erhöhen. Denn Fehler beim Ablesen und bei der händischen Übertragung waren nie ganz auszuschließen“, erinnert sich David Stüble, verantwortlicher Leiter des Bereichs Förder- und Aufbereitungstechnik bei der Bodensee-Wasserversorgung.
Drei Voraussetzungen sollte das neue System unbedingt erfüllen: Es sollte die Energiedaten von Mittel- und Niederspannungsverbrauchern sowie weiteren Verbrauchszählern automatisch erfassen und diese in Form von Protokollen auswerten. Zusätzlich sollte eine Anbindung an das vorhandene Leitsystem erfolgen.
Perfekte Kombination für die Mittel- und Niederspannung
Für die Umsetzung dieser komplexen Anforderungen fiel die Wahl auf das Energiemonitoringsystem von Siemens. „Größter Leistungsumfang, geringer Verkabelungsaufwand und eine problemlose Kopplung mit dem Leitsystem haben uns überzeugt“, so Stüble.
Es wurde eine Energiemonitoring-Lösung für die Mittel- und Niederspannungsverbraucher an den Standorten Seepumpwerk Süßenmühle und Sipplinger Berg, dem Herzstück der Anlage mit mehreren hundert Verbrauchsstellen realisiert. Dabei spielen Messgeräte, die Energiemanagement-Software und das bestehende Leitsystem perfekt zusammen. Die kommunikationsfähigen Messgeräte zur Erfassung der elektrischen Energiedaten ließen sich einfach in die bestehenden Mittelspannungs-Schaltschränke einbauen. Per Software-Analyse sind nun die Energieströme transparent: Elektrische Kenngrößen wie Spannungen, Ströme, Leistungen, Energiewerte, Frequenzen, aber auch andere Daten wie Wassermengen lassen sich damit überwachen und archivieren.
Kontinuierliches Energiemanagement garantiert
Die Experten bei der Bodensee-Wasserversorgung sind höchst zufrieden mit der Energiemonitoring-Lösung: Leistungsmittelwerte von überwachten Kenngrößen werden in Ganglinienform angezeigt und können miteinander verglichen werden. Es lassen sich auch die Lastgänge der einzelnen Aufbereitungslinien gegenüberstellen. Damit haben die Techniker jederzeit eine aktuelle Übersicht über die Verbrauchswerte. Außerdem werden sämtliche relevanten Daten zentral archiviert, zwei Mal im Monat ausgelesen und zur Weiterverarbeitung in eine Excel-Liste exportiert. „Es ist eine feine Sache, dass das automatisch läuft“, freut sich Praktiker Stüble.
Anhand des Datenmaterials lässt sich der Energieverbrauch optimieren. Eine wichtige Kenngröße ist dabei, wie viele Kilowattstunden in Bezug auf einen Kubikmeter Reinwasser benötigt werden. Ein selbst gestecktes Ziel des Wasserversorgers war es, diesen Energieverbrauch auf unter 1 kWh/m³ zu senken. Dies sollte inzwischen erreicht worden sein. Aber auch der Erfolg einzelner Maßnahmen lässt sich exakt nachvollziehen. Andere Datenquellen wie beispielsweise Wassermengen lassen sich ebenfalls über die Software powermanager verarbeiten. Zugleich ist die Datenerfassung ein wichtiger Baustein für die Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001, die für 2016 bis 2019 erfolgreich bestätigt wurde. Jährliche Auditierungen überprüfen zudem, ob die angestrebten Effizienzziele erreicht wurden.
25.01.2018
Bilder: Siemens AG/W. Geyer
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