Seewasser für’s Luxushotel 

Auf dem Bürgenberg in den schweizerischen Kantonen Nidwalden und Luzern thront das neue Bürgenstock Resort. Gekühlt und geheizt wird die Anlage mit Energie aus dem Vierwaldstättersee. Rund 300 Kubikmeter Wasser werden dafür pro Stunde auf den Berg gepumpt.

Tourismus hat in der Region des Vierwaldstättersees in der Innerschweiz eine lange Tradition. Nach dem Bau des ersten Hotels im Jahr 1873, dem Grand Hotel, und in den darauf folgenden Jahrzehnten entwickelte sich auf dem Bürgenstock ein Zentrum für Gastronomie und Tourismus. Während der Blütezeit des Resorts in den 50er- bis achtziger Jahren entdeckte die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Bürgenstock Resort für sich. Um den Jahrtausendwechsel änderten sich die Besitzverhältnisse mehrmals, bis 2008 die Katara Hospitality Switzerland AG, eine Tochtergesellschaft des katarischen Staatsfonds (QIA), übernahm und unter der Leitung von Managing Director Bruno H. Schöpfer das neue Resort konzipierte, plante und realisierte.

 

Die neuen Besitzer haben rund 550 Millionen Franken investiert. Die Katara Hospitality Switzerland AG realisierte in neun Jahren ein Resort mit vier Hotels mit drei bis fünf Sternen Superior, insgesamt 383 Zimmer und Suiten und einem 10‘000 Quadratmeter grossen «Alpine Spa». Die Räume des Konferenzzentrums bieten auf 2 200 Quadratmetern Platz für mehr als 800 Gäste, dazu gehören 31 Sitzungszimmer und ein Ballsaal für 600 Personen. Das Resort bietet zudem zwei Tennishallen, die zu Eventhallen für je 500 Besucher umfunktioniert werden können.

 

Weiter laden acht Restaurants, ein Neun-Loch-Golfplatz, eine Standseilbahn, ein Kino und diverse Shoppingmöglichkeiten Spaziergänger, Konferenzbesucher und auswärtige Gäste zum Verweilen ein. Dereinst sollen rund 800 Personen im Bürgenstock Resort arbeiten. Mit der Eröffnung des Waldhotels Health & Medical Excellence wurde Ende 2017 das letzte Gebäude seiner Bestimmung übergeben.

Energieversorgung aus dem See

Damit die Energieversorgung mit der Vergrößerung und Modernisierung der Anlage Schritt halten kann, wurde als Herzstück des Resorts eine neue Energiezentrale gebaut. Diese verknüpft fast 130-jährige Tradition mit neuester Technik: Wie schon 1888 wird das Wasser des Vierwaldstättersees vor dem Dorf Kehrsiten gefasst und auf den Berg gepumpt. Damals diente dies der Trinkwasserversorgung, heute ist das Seewasser Energiequelle für das Resort. Das Prinzip ist einfach: Wärmepumpen gewinnen die Energie aus dem Seewasser, die zum Heizen der Gebäude genutzt wird.

 

Neue, leistungsstarke Pumpen befördern 78 Liter Wasser pro Sekunde auf den Berg, der Höhenunterschied beträgt 500 Meter. Im Bürgenstock Resort dient das alte Frischwasserreservoir als «Speichersee», von wo aus das Wasser weiter in die Energiezentrale geleitet wird. Wärmepumpen mit 1,3 Megawatt (MW) Leistungsspitze erwärmen das Wasser im System – je nach Außentemperatur – auf 45 bis 55 Grad Celsius. Dieses wird auf die verschiedenen Bauten verteilt und dort auf zwei Arten genutzt: einerseits direkt für die Heizungen, andererseits als Energiequelle für die Wärmepumpen der Gebäude, die das Brauchwasser auf 65 Grad erhitzen. Dieses zweistufige System hat einen guten Grund: Würde 65 Grad heißes Wasser verteilt, wäre der Energieverlust beim Transport wesentlich höher als bei 45 bis 55 Grad und die Leistungszahl (COP) der Wärmepumpen entsprechend tiefer. Für die Kühlung wird das Seewasser direkt genutzt. Denn 37 Meter unter der Wasseroberfläche liegt die Temperatur während des ganzen Jahres bei kalten 5 bis 7 Grad. So deckt das Seewasser 70 bis 90 Prozent des Wärmebedarfs und übernimmt die ganze Kühlung. Das genutzte Wasser wird wieder in den See geleitet. Dabei fließt es durch eine Turbine, die einen Teil der Energie zurückgewinnt, die zum Hochpumpen des Wassers verwendet wird.

Die Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet, wenn irgendwo ein Schieber defekt ist, ein Rohr bricht oder sich Überdruck entwickelt. Deshalb erfassen wir an allen wichtigen Stellen ständig Daten.
Thomas Guebey, Gesamtleiter der Siemens-Projekte im Bürgenstock Resort

Umfassende Gebäudeautomation

Gesteuert wird die Energiezentrale mit Systemen von Siemens. Thomas Guebey, Teamleiter Kundendienst und Gesamtleiter der Siemens-Projekte im Bürgenstock Resort, berichtet: «Es ist ein riesiges Projekt, bei dem die Sicherheit von Anlagen und Personen sowie eine unterbrechungsfreie Versorgung vorrangig waren.» Das Seewasser bewegt sich in einem fast geschlossenen System, nur für die Bewässerung der Grünanlagen wird Wasser entnommen. «Die Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet, wenn irgendwo ein Schieber defekt ist, ein Rohr bricht oder sich Überdruck entwickelt. Deshalb erfassen wir an allen wichtigen Stellen ständig Daten.» Diese werden in der Gebäudemanagementplattform Desigo CC gesammelt und aufgezeichnet. Dazu Guebey: «Stimmen die Werte nicht, schaltet das Siemens-System automatisch ab und meldet dies den Verantwortlichen.»

Doch nicht nur Heizung und Kühlung werden mit Desigo CC gesteuert, überwacht und visualisiert. «Lüftungen, Sanitäranlagen, Raumautomation sowie Beleuchtung und Sicherheit des Areals sind ebenfalls integriert», erklärt Guebey. Desigo CC erfasst Störmeldungen der Elektroanlagen sowie Messdaten aus der Energieversorgung und erteilt übergeordnete Befehle an Storen oder Lichtanlagen. Die Sinamics-Frequenzumrichter von Siemens tragen zu einem bedarfsabhängigen und ökologischen Betrieb der Gebäudetechnik bei und sorgen im Zusammenspiel mit anderen Gewerken dafür, dass im richtigen Maß geheizt, gekühlt oder belüftet wird. Dank der durchgängigen Systemstruktur sind die einzelnen Komponenten ideal aufeinander abgestimmt und über Desigo CC einfach und intuitiv zu bedienen. Für die Sicherheit auf dem Areal sorgen Videoüberwachungssysteme von Siemens «Dank dieser Lösung aus einer Hand kann auch das Ersatzteillager klein gehalten werden», erklärt Guebey.

Die  Energiezentrale ist bereits seit bald zwei Jahren in Betrieb. Im eigens dafür errichteten Gebäude befindet sich auch die Leitzentrale mit dem dazugehörigen Rechnerraum. «Die ersten Erfahrungen sind sehr gut», sagt Guebey. «Seit der Inbetriebnahme im Januar 2016 musste der technische Dienst nur einige ‹Kinderkrankheiten› beheben.» Der größte Teil davon waren fehlerhafte Störungsmeldungen der Steuerungen oder fehlerhafte Schieber, die ersetzt werden mussten. Seit Februar 2016 läuft alles fast fehlerfrei. Die Gebäude werden nun nach und nach angeschlossen. Auf Volllast getestet wurde die Energiezentrale noch nicht; selbst im sehr kalten Januar 2017 lief sie nur auf etwa einem Fünftel der maximalen Leistung.

Für das Gebäudemanagement im Bürgenstock Resort wurden zahlreiche Siemens-Produkte installiert. In den zwanzig angeschlossenen Gebäuden stehen insgesamt 60 Schaltschränke. Frequenzumrichter Sinamics G120  sorgen für einen bedarfsabhängigen Betrieb.

 

Primäranlagen wie Heizung, Kälte und Lüftung werden von dezentralen Automationsstationen Desigo PX  gesteuert, die Raumautomation der Suiten läuft mit der Siemens-Lösung Total Room Automation (TRA).

 

Die Gebäudemanagementplattform Desigo CC  erfasst und visualisiert Daten des ganzen Resorts, gibt Informationen zum Zustand des gesamten Systems weiter und ermöglicht eine intuitive Bedienung. Damit vereinfacht Desigo CC die Arbeit der Betreiber und liefert wichtige Entscheidungsgrundlagen zum Betrieb und für Optimierungen.

28.06.2018
B
ilder: Bürgenstock Hotels AG; Siemens

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden: Alles was Sie über Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung wissen müssen.