Der Klimawandel und der steigende Energiebedarf
Warum Energielösungen zunehmend dezentral bereitgestellt werden.
Der Klimawandel sowie ein noch nie dagewesenes Bevölkerungswachstum stellen uns auf der einen Seite vor große Herausforderungen. Auf der anderen Seite sind sie jedoch auch Innovationstreiber, insbesondere im Bereich der elektrischen Energie. Siemens Smart Infrastructure geht diese Herausforderungen an und stellt Lösungen bereit, die Lebensräume zum Wohle von Mensch und Umwelt schaffen. Die Dezentralisierung der Energiesysteme spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Von Cedrik Neike, CEO Siemens Smart Infrastructure
Die industrielle Revolution schreitet weltweit rasant voran. Ihre technologischen Innovationen haben die Gesellschaft verändert, die Armut erheblich eingedämmt und zugleich die Lebenserwartung stark erhöht. Dennoch wird es zunehmend offensichtlich, dass die fossilen Brennstoffe, die bis heute hinter diesem Fortschritt stehen, einen möglicherweise katastrophalen Klimawandel herbeiführen. Die Verbrennung dieser Energiequellen produziert Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid und Methan, die zu einer endemischen globalen Erwärmung beitragen. Von 1970 bis heute haben sich die jährlichen CO2-Emissionen weltweit mehr als verdoppelt – von 15,9 Gigatonnen auf 36,2 Gigatonnen im Jahr 2017.
Wachstum schaffen trotz klimatischer Einschränkungen
Heute, an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution, die eine digitale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft vorantreibt, haben sich Klimawandel und Dekarbonisierung zu einem limitierenden Faktor bei unseren Aktivitäten entwickelt. Zugleich wächst die Weltbevölkerung stetig – eine Tatsache, die auch weiterhin ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum erfordert. Bis zum Jahr 2050 werden knapp zehn Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Von diesen zehn Milliarden werden voraussichtlich 70 Prozent in Städten leben. Und trotz schwindender Ressourcen werden alle diese Menschen auf eine saubere, lebensfreundliche Umgebung angewiesen sein. Zum Beispiel auf eine effiziente Transportinfrastruktur. Oder eine zuverlässige Trinkwasserversorgung. Eine ganz entscheidende Rolle spielt allerdings die nachhaltige Energieversorgung für unseren Fortbestand im 21. Jahrhundert.
Was bedeutet das konkret? Welche Herausforderungen hält die Zukunft für uns bereit? Und wer übernimmt die Verantwortung für deren Lösung?
Die Konvergenz der Sektoren eröffnet neue Möglichkeiten
Zu Beginn der industriellen Revolution war die Stromerzeugung stark dezentralisiert. Das änderte sich im Laufe der Zeit und es fand ein Wandel hin zu großen, zentralen Kraftwerken statt. Heute kehren wir wieder zurück zu den Anfängen. Dieses Mal allerdings mit nachhaltigen Verfahren. Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes sehen sich Gebäudeinhaber, Energieerzeuger und Energieverteiler heute komplexeren Herausforderungen gegenüber, die zugleich außergewöhnliche Möglichkeiten eröffnen. Das gilt in besonderem Maße für Gebäude und die dazugehörigen Systeme: Sie sind für etwa 40% des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich.
Heute kehren wir wieder zurück zu den Anfängen. Dieses Mal allerdings mit nachhaltigen Verfahren.
Siemens Smart Infrastructure stellt sich diesen Herausforderungen mit der Entwicklung von Lösungen, die Energiesysteme und Gebäudelösungen auf intelligente Weise miteinander verbinden und so Lebensräume zum Wohle von Mensch und Umwelt schaffen – creating environments that care. Eine Verbindung dieser beiden Bereiche wird eine intelligente Infrastruktur für Netze, Gebäude und Industrieanlagen schaffen – eine Art Ökosystem, das intuitiv auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert und zugleich den Planeten für zukünftige Generationen schützt.
Ein zunehmend komplexes Energiesystem ermöglicht und fördert neue Rollen und Geschäftsmodelle
Diese Ökosysteme – oder Umgebungen – nutzen zunehmend dekarbonisierte und dezentralisierte Energie. So gewinnt die Rolle von Gebäuden auf dem Energiemarkt immer mehr an Bedeutung. Viele der neueren Gebäude erzeugen heutzutage bereits ihre eigene Energie, und das zu einem steigenden Prozentsatz aus erneuerbaren Energiequellen. Nichtsdestotrotz bedarf es neuer Lösungen, um die wachsende Nachfrage nach elektrischer Energie, die sich über die nächsten zehn Jahre mehr als verdoppeln soll, zu befriedigen.
Gleichzeitig müssen wir Wege finden, um die Fluktuationen bei der Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen auszugleichen. Bei der Stromerzeugung könnten lokale Speichersysteme sowie Sektorkopplung einen Beitrag zur Befriedigung der Nachfrage leisten, indem sie beispielsweise Verbindungen zwischen Gebäuden und Ladestationen für Elektrofahrzeuge herstellen.
Es bedarf neuer Lösungen, um die Nachfrage nach elektrischer Energie, die sich über die nächsten zehn Jahre mehr als verdoppeln soll, zu befriedigen.
In Zukunft müssen Gebäude und Infrastrukturen dazu in der Lage sein, ihren Energieverbrauch intelligent zu managen. Die Kombination aus dezentraler Energieerzeugung und der Speicherung von Energieüberschüssen ermöglicht es, sowohl die Nachfrage als auch die dafür notwendige Ressourcenmischung präzise vorherzusagen. Derartige Maßnahmen werden die Nachfrage optimieren, Kosten reduzieren und die Verfügbarkeit steigern. Darüber hinaus wird es für die intelligente Verwaltung von Gebäuden und Versorgungsnetzen erforderlich sein, einen kontinuierlichen Informationsaustausch über alle beteiligten Komponenten hinweg zu gewährleisten.
Eine Schlüsselkomponente für Konvergenz: dezentrale Energiesysteme
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Verbindung energieerzeugender und energieverbrauchender Ökosysteme. Sie reichen von einer intelligenten Netz- und Systemsteuerung bis hin zu intelligenten Speicherlösungen, und von der Gebäudeautomatisierung und Steuerungssystemen bis hin zu Schaltanlagen, Ventilen und Sensoren. Um zu erklären, wie eine Konvergenz von Energieversorgungssystemen mit Gebäuden und Industrieanlagen aussehen könnte, möchte ich mich hier auf ein wesentliches Element konzentrieren, das im Zentrum dieses neuen Ökosystems der intelligenten Infrastruktur steht: dezentrale Energiesysteme.
Die Zunahme an dezentralen Energiesystemen führt zu einer heterogeneren, dynamischeren Energieversorgung mit unterschiedlichen Akteuren und vielschichtigen Energie-, Informations-, und Geldquellen, die zwar unabhängig und/oder insular betrieben werden können, aber gleichzeitig an ein größeres Netz angeschlossen sind.
Experten sehen hohe Wachstumsraten für Technologien im Rahmen von dezentralen Energiesystemen voraus. So wird die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für den Energiespeichermarkt bis 2024 voraussichtlich über 10% betragen. Die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge wird um über 30% zunehmen und der Markt für dezentrale Energiesysteme allgemein wird voraussichtlich um etwa 10% wachsen.
- Mehr Resilienz: Städte und Gemeinden, aber auch Bezirke und Campusbereiche wie Universitäten, Krankenhäuser und Industrieanlagen, können ihr eigenes lokales Energieversorgungssystem konzipieren. Diese Systeme können entweder in Verbindung mit dem allgemeinen Stromnetz oder aber komplett autark betrieben werden.
- Einbindung erneuerbarer Energien: Erneuerbare Energien sind (mit Ausnahme der Wasserkraft, die geografisch gebunden ist, sowie großen Onshore-/Offshore-Windparks und Photovoltaikanlagen) oftmals dezentral angelegt. Dezentrale Energiesysteme tragen zur Integration der so gewonnenen Energie in das allgemeine Stromnetz bei. Diese Veränderung wird mit dem Übergang von Gebäuden von reinen „Verbrauchern“ zu „Prosumenten“, die ihren eigenen Strom erzeugen und sich in intelligente und flexible Speichersysteme verwandeln können, zunehmend relevanter. Darüber hinaus könnten Gebäudebetreiber Energieüberschüsse an den Energiemärkten verkaufen oder freie Kapazitäten am Energieflexibilitätsmarkt anbieten.
- Effiziente Umsetzung der Kraft-Wärme-Kopplung: Beispielsweise durch die Nutzung der Wärme eines nahe gelegenen Produktionsbetriebs zur Erwärmung oder Kühlung von Gebäuden oder sogar eines Eisstadions.
- Energieeinsparungen während der Übertragung: Durch eine Verkürzung oder völlige Vermeidung der Übertragungsstrecke können wesentliche Einsparungen erzielt werden.
- Steigende Zuverlässigkeit: Durch eine steigende Zuverlässigkeit der lokalen Stromversorgung werden gleichzeitig die Verteiler- und Übertragungssysteme stabilisiert.
- Stärkung der Gemeinden: Förderung der Wertschöpfung auf lokaler Ebene.
Zusammenfassend kann man sagen, dass lokale, dezentralisierte und kontrollierbare Stromerzeugungs- und Speicherlösungen den Endverbrauchern eine gewisse lokale Resilienz oder sogar völlige Unabhängigkeit vom Netz ermöglichen, oftmals in Verbindung mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Vorteilen. Diese Vorteile kommen auch den Netzbetreibern zugute. Lokale Lösungen können die Nachfrage dahingehend verwalten, dass Spitzenlasten reduziert werden, wenn das Kapazitätslimit erreicht ist. Dadurch können Energieüberschüsse am Markt verkauft werden.
Viele dieser Vorteile sind heute sicherlich noch nicht im großen Maßstab Realität. Die Zahlen von bereits verwirklichten dezentralen Energieprojekten sprechen jedoch für sich: Eine unabhängige Studie zu diesem Thema zeigt, dass Betreiber dezentraler Energiesysteme im Vergleich zum herkömmlichen Betrieb eine Senkung der Betriebskosten um 8 bis 28 % verzeichnen können, mit einer Amortisation des eingesetzten Kapitals (Return on Investment) innerhalb von drei bis sieben Jahren. Die CO2-Emissionen sanken dabei im gleichen Maße.
Wir glauben, dass eine Nutzung dieser neuen Möglichkeiten und Vorteile uns dabei helfen wird, Umgebungen zu schaffen, die von intelligenten Ressourcen gesteuert werden, und die uns drei Hauptvorteile sichern: Nachhaltigkeit, eine sichere und zuverlässige Energieversorgung und wirtschaftliche Vorteile.
Intelligente Umgebungen für mehr Nachhaltigkeit
Idealerweise leistet eine dezentrale Energieversorgung einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der Umwelt und des Klimas unseres Planeten, indem Energie dort verbraucht wird, wo sie generiert wird und Übertragungs- und Verteilungsverluste so vermieden werden. Darüber hinaus kann der Einsatz erneuerbarer Energiequellen Emissionen entscheidend reduzieren und unsere natürlichen Ressourcen schützen.
Dezentrale Energiesysteme spielen hier eine wesentliche Rolle, da sie speziell auf die Erzeugung, Speicherung und Verteilung grüner Energie ausgelegt sind. Diese Vorteile wirksam umzusetzen, ist für uns überlebenswichtig, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte zum Klimawandel.
Mit Technologien wie der Wärmerückgewinnung, Prognose-Algorithmen und Maßnahmen für eine bessere Energieverteilung lassen sich bereits heute signifikante Ressourceneinsparungen erzielen.
Bis vor kurzem nutzten die Galapagos-Inseln trotz ihres Status als UNESCO-Weltnaturerbe Dieselgeneratoren, um den Strombedarf der Hotels, Restaurants und Häuser der 2.500 ständigen Bewohner der Inseln zu decken. Der Transport des Dieseltreibstoffs vom 1.000 Kilometer entfernten Festland zu den Inseln war mit unleugbaren Risiken verbunden. In den vergangenen Jahren liefen zwei große Schiffsladungen mit Treibstoff während des Transports leck. Diese Havarien schädigten den Küstenstrich der Inseln und bedrohten das fragile Ökosystem.
Die neu für das Hybridkraftwerk auf der Insel Isabela entwickelte Lösung nutzt unterschiedliche Energiequellen und schafft so ein System, mit dem sich der lokale Energiebedarf decken lässt. Es generiert eine Energieleistung von 1,2 MW und umfasst 3.024 Solarzellen, fünf Generatoren und 84 Batteriemodule, die mithilfe einer intelligenten Hybridsteuerung gelenkt werden. Die Lösung beinhaltet:
- Eine 952 kWp Photovoltaikanlage, mit der das Sonnenlicht gesammelt und in elektrische Energie umgewandelt wird.
- Fünf 325 kW Kolbenmotorgeneratoren, die mit Jatropha-Öl betrieben werden (ein Biokraftstoff auf Pflanzenölbasis) und mit deren Hilfe die Stromversorgung auch ohne Sonnenlicht (zum Beispiel nachts oder wenn der Himmel bewölkt ist) gewährleistet werden kann.
- Ein 660 kW/333 kWh Speichersystem für einen reibungslosen Übergang zwischen der Energieerzeugung mithilfe von Biokraftstoff und Sonnenlicht. Das Speichern von Elektrizität ist eine wichtige Voraussetzung, um eine durchgehende Stromversorgung und Netzstabilität zu gewährleisten.
- Die intelligente Hybridsteuerung, das Kontroll- und Steuerungssystem des Kraftwerks. Sie sorgt für die Automatisierung, Optimierung und Visualisierung des Energieerzeugungsprozesses, Verbindungen zwischen den Systemen sowie den erforderlichen Fernzugriff.
Die auf den Galapagos-Inseln erzielten Ergebnisse sprechen für sich:
- Einsparung von 28 Tonnen Diesel pro Monat
- Verfügbarkeit rund um die Uhr (99 % Betriebszeit)
- Einsparung von 85 Tonnen CO2-Emissionen pro Monat
Umgebungen, die Erkenntnisse zur Sicherung der Energieversorgung bereitstellen
Nahezu alle Industrien – insbesondere kritische – sind stark von einer zuverlässigen Energieversorgung abhängig. Lokale Energielösungen tragen dazu bei, die Zuverlässigkeit des Systems zu verbessern und die Verfügbarkeit, Qualität und Belastbarkeit der Energieversorgung zu steigern. Diese Vorteile ermöglichen es Unternehmen, ihre Prozesse abzusichern und sich auf zukünftige Anforderungen vorzubereiten und zugleich Skalierbarkeit sicherzustellen.
Ein gutes Beispiel für die Nutzung einer regionalen, vollständig erneuerbaren Energieversorgung zur Sicherung der Stromversorgung ist der „Path of WUNsiedel“, das Energieprojekt der bayrischen Stadt Wunsiedel. Ziel ist es, den Versorgungsbereich des öffentlichen Versorgungsunternehmens bis 2030 in ein umfassend flexibles System zu überführen, das ausschließlich auf erneuerbare Energiequellen zurückgreift.
Vor allem zeigt das Wunsiedel-Projekt die Möglichkeiten auf, wie man Sektorkopplung sinnvoll nutzen kann. Sektorkopplung umfasst die Systemintegration und Vernetzung verschiedener DES-Elemente. So können Systembetreiber beispielsweise das Potenzial erneuerbarer Energien optimal nutzen, indem sie die für die temporäre Speicherung von Wind- und Sonnenenergie notwendige Infrastruktur bereitstellen. Das lässt sich erreichen, indem man digitale Konnektivität nutzt, um Energiesysteme und Verbraucher miteinander zu verbinden.
Das Ergebnis ist ein extrem zuverlässiges und wirtschaftliches Energieversorgungssystem, das nicht nur das vorgelagerte Netz unterstützt und entlastet, sondern den Energieüberschuss auf dem Energiemarkt verkauft (Einspeisung). Langfristig soll ein unabhängiges Versorgungsgebiet entstehen, das ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt.
Welche Technologie unterstützt Wunsiedel?
- Photovoltaik-Installationen mit einer Kapazität von mehr als 10 MW
- Windkraftanlagen mit einer Kapazität von über 10 MW
- Ein 8,4 MW/10 MWh elektrisches Speichersystem zur Sicherung der Netzstabilität (wird zurzeit in Betrieb genommen)
- Bereitstellung von Strom und Wärme durch Satellitenkraftwerke, die mit lokal produzierten Holzpellets befeuert werden
- Eine Smart-Home-Speicherlösung als Angebot für Kunden, die es privaten Haushalten ermöglicht, die von ihnen erzeugte Solarenergie zu speichern und bei Bedarf – beispielsweise nachts – zu nutzen
Welche Ergebnisse wurden bisher erreicht?
- Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen, Erzeugungseinrichtungen und Stromverbraucher, die durch digitale Konnektivität miteinander verbunden sind – was entscheidend für eine zuverlässige und nachhaltige Energieversorgung ist
- 2017 wurde in Wunsiedel erstmalig mehr Ökostrom als Netzstrom verbraucht
- 2018 wurde der Gesamtstromüberschuss in das vorgelagerte Netz eingespeist – mit einem durchschnittlichen Gesamtüberschuss von rund 15 GWh im Jahresverlauf
- Zwischen 2011 und 2018 wurden im Vergleich zur konventionellen Energieerzeugung 144.000 Tonnen CO2 eingespart
Ausblick: Power-to-Gas oder Power-to-Liquid werden einen weiteren Entwicklungsschritt ermöglichen. Die Erzeugung „grünen“ Gases aus erneuerbaren Energiequellen kann eine langfristige Energiespeicherung ermöglichen, um die Stromversorgung für Verkehr, Industrie und Netzdienstleistungen zu sichern.
Zudem werden Gebäude mit integrierten Speichereinrichtungen zunehmend Ressourcen für den Lastenausgleich im lokalen Stromnetz bereitstellen. Elektrische Wärmespeicher in Privathäusern könnten genutzt werden, um Lastspitzen auszugleichen. In einem ersten Projekt werden in Wunsiedel einige 6 kW Speicher an eine Steuerzentrale angeschlossen, die die einzelnen elektrischen Wärmespeicher steuern und als skalierbaren Stromspeicher bereitstellen kann. So könnten 100 solcher 6 kW Systeme in Zukunft bis zu 600 kW Speicherkapazität bereitstellen, um das städtische Versorgungsnetz zu unterstützen und für den Lastausgleich zu sorgen.
Umgebungen, die Erkenntnisse für wirtschaftlichen Nutzen bieten
Die Optimierung der Energiekosten wird zunehmend wichtig für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Zum einen kann eine Optimierung des Energiemixes dazu beitragen, die Kosten für den Zukauf von Strom zu senken. Darüber hinaus sind ein insgesamt niedrigerer Energieverbrauch und eine höhere Energieeffizienz zwei weitere effektive Möglichkeiten, die Kosten zu senken. Schließlich ermöglicht es die Einrichtung einer lokalen Energielösung, die Netzgebühren zu senken und durch den Verkauf überschüssiger Energie am Energiemarkt zusätzliche Einnahmen zu erzielen.
Sello im Stadtteil Leppävaara der finnischen Stadt Espoo ist eines der größten Einkaufszentren in Skandinavien. Auf einer Fläche von 102.000 Quadratmetern beherbergt es 170 Geschäfte, eine Konzerthalle, ein Hotel und eine Bibliothek. Dank seiner Nähe zu Helsinki finden Jahr für Jahr mehr als 24 Millionen Menschen ihren Weg dorthin.
Sello wurde 2010 als erstes Einkaufszentrum Europas mit LEED Gold und 2015 als erstes Einkaufszentrum Europas mit LEED-EB Platin zertifiziert. Um die fortlaufende LEED-Zertifizierung sicherzustellen, musste das Einkaufszentrum modernisiert und effizienter werden. Dies war ein entscheidender Punkt für die Ladenmieter, die auf faire und beständige Mieten ebenso viel Wert wie auf niedrige Betriebskosten legen. Aber auch aus der Marketingperspektive spielte zum Beispiel die Luftqualität eine große Rolle, da sie sowohl für die Einkaufsumgebung als auch für die Besucher ein wichtiger Aspekt ist, die einen entsprechenden Komfort erwarten.
Die Lösung: intelligenter Einsatz von Digitalisierungslösungen. Um die Gebäudedaten des Einkaufszentrums Sello gewinnbringend nutzen zu können, war ein umfassend geplantes Konzept notwendig, zu dem Trendanalysen für Räume und Einrichtungen, maßgeschneiderte Parameter für Anlagenleistung und Umgebungsbedingungen gehörten.
Dank dieser Erkenntnisse führten eine bessere Luftverteilung in den Restaurants und die optimierte Reparatur und Wartung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (HLK) zu sofortigen Einsparungen bei den Energiekosten. Zudem konnten die Besucher unmittelbar von einer gesteigerten Luftqualität und einem komfortableren Umfeld profitieren. Darüber hinaus werden automatische Auswertungen von Wettervorhersagen genutzt, um die Eingangsbereiche vorzuheizen und die Besuchersicherheit zu erhöhen, wenn der Winter mit Eis und Schnee aufwartet.
Die Ergebnisse sprechen für sich. Durch schlüsselfertige intelligente Gebäudemanagementlösungen und einen Servicevertrag mit einer Laufzeit über neun Jahren konnten die Kosten deutlich gesenkt werden. Insgesamt beläuft sich der jährliche Gesamtnutzen einschließlich Cashflow aus dem Energiemarkt, Einsparungen durch Energieeffizienzmaßnahmen und Senkung der Wartungskosten auf rund 650.000 Euro.
Darüber hinaus konnte Sello den Investitionsstau bei der Instandhaltung um 650.000 Euro abbauen, jährlich lokal 470 MWh Strom produzieren und die jährlichen CO2-Emissionen um 281 tkg/CO2 senken.
Überblick über die eingesetzte Technologie:
- 1.500 Energie- und HLK-Datenpunkte zu Analysezwecken (mit insgesamt 12.000 Datenpunkten)
- Solarzellen mit einer Kapazität von 750 kWp
- Batteriespeicher mit einer Kapazität von 1,68 MW
- 1 MW flexible Last
- Elektrische Systeme für Bedarfsreaktion und Microgrid-Funktionen
- LED-Beleuchtungssystem mit Digital Addressable Lighting Interface (DALI)
- Modernisierung des Automatisierungssystems und
- 12 Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Betrieb
Und das Projekt geht weiter. Seit Herbst 2018 ermöglicht ein im Einkaufszentrum realisiertes virtuelles Kraftwerk die aktive Teilnahme am Energiemarkt, indem der Energieverbrauch des Gebäudes flexibel an die Marktbedürfnisse angepasst werden kann. Dazu werden das Einkaufszentrum und das allgemeine Stromnetz zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen, wodurch das Gebäude zu einer Art „Reservekraftwerk“ wird.
Das Herz des virtuellen Kraftwerks ist eine von Siemens betriebene Softwareplattform, die auf intelligente Weise elektrische Lasten aus Gebäuden ausgleicht, die in einem Mikronetz miteinander verbunden sind, das erneuerbare Energien und Energiespeicher integriert. Mithilfe dieser Plattform kombiniert Sellos Mikronetz Energieeffizienz, Speicheroptimierung von Spitzenlasten und eigene Stromerzeugung. Diese Lösung ist ein zukunftsweisendes Modell für verteilte Energieerzeugung, von dem Versorgungsunternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft profitieren.
Verteilte Energielösungen – eine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen von heute
Eines ist klar: Auf dem Weg in die Zukunft der Energie sind die Themen Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung untrennbar miteinander verbunden. Ziel ist die intelligente und nachhaltige Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Energie. Um dieses Ziel zu erreichen, sind integratives Denken und der Blick für das große Ganze notwendig. Dazu gehört alles von intelligenten Energiekonzepten bis zur Sektorkopplung und von der Infrastruktur für Elektrofahrzeuge bis zur Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz.
Bereits heute stehen technologische Lösungen zur Verfügung, die deutliche Fortschritte in diesem Bereich ermöglichen. Um sie noch wirksamer zu machen, sind zunächst keine neuen Gesetze, Vorschriften oder technologischen Entwicklungen erforderlich. Städte, Unternehmen und Bürger können sich heute aktiv in den Klimaschutz einbringen – und „Lebensräume zum Wohle von Mensch und Umwelt schaffen.“
2019-05-15
Bilder: Siemens AG
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