Wie ein Batteriespeicher die Azoren grüner macht

Mit Hilfe von Grid-Edge-Technologie baut die Insel Terceira die Versorgung mit erneuerbarem Strom aus und reduziert zugleich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Die Energieversorgung auf den Azoren soll unabhängiger und grüner werden – durch mehr lokale, erneuerbare Stromproduktion. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Grid-Edge-Technologie: Auf der Insel Terceira entsteht derzeit eine großes, eigenständiges Batterie-Energiespeichersystem. In Kombination mit einem intelligenten Microgrid-Managementsystem beschleunigt es die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Stromversorgung.

Bekannt sind die Azoren für ihre einzigartige Tier- und Pflanzenwelt: Die Inselgruppe vulkanischen Ursprungs liegt 1400 Kilometer vom Festland entfernt – und ist von Arten belebt, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Doch schon bald hat der Archipel eine neue Attraktion zu bieten, die allerdings eher Technikfreunde denn Naturliebhaber interessieren dürfte: Auf Terceira, einer der neun bewohnten Azoren-Inseln, wird eines der größten Energiespeichersysteme Europas gebaut.

 

Die Hauptstadt von Terceira, Angra do Heroísmo, gehört mit ihrer Altstadt und deren Befestigungsanlagen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Neueste Technologie soll es nun möglich machen, die historische Stadt mit mehr erneuerbarer Energie zu versorgen – genauso wie alle anderen Siedlungen auf der Insel. 

Grid Edge Summit 2021

Die Azoren haben schon vor Jahrzehnten damit begonnen, regenerative Energiequellen zu nutzen: Ende der 1980er-Jahre wurden Windturbinen installiert, wenig später nahm das erste Geothermie-Kraftwerk seinen Betrieb auf. Heute produzieren alle bewohnten Inseln erneuerbaren Strom. Über den gesamten Archipel betrachtet stammt rund 40 Prozent des Strombedarfs aus regenerativen Quellen. Große Bedeutung kommt dabei der Geothermie zu, die 60 Prozent ausmacht. Der Rest des erneuerbaren Stroms stammt hauptsächlich aus Wind- und Wasserkraftanlagen.

Bedrohtes Inselparadies

Die Azoren sind, wie alle Inseln, in besonderem Maß vom Klimawandel betroffen. Zum einen bedroht der steigende Meeresspiegel tief gelegene Küstengebiete. Zum anderen geht die Forschung davon aus, dass viele Inseln in den kommenden Jahrzehnten mit zunehmender Trockenheit rechnen müssen – und damit die Trinkwasserversorgung bedroht sein könnte.

 

Lösen können die Inseln dieses Problem nicht allein – aber sie können ihren Teil dazu beitragen, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern. Auf den Azoren geschieht dies im Rahmen einer übergreifenden Energiestrategie. Diese sieht neben dem stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien diverse weiteren Maßnahmen vor, etwa die Förderung der Elektromobilität.

 

Durch einen Ausbau der lokalen, erneuerbaren Energieproduktion schlagen die Azoren zwei Fliegen mit einer Klappe: Mehr Strom aus regenerativen Quellen bedeutet zum einen eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Zum anderen verringert sich durch die lokale Produktion die Abhängigkeit vom Festland. Nach wie vor werden rund 60 Prozent der benötigten Energie in Form fossiler Brennstoffe auf die Inseln importiert. 

Zwischenspeicher für ein stabileres Netz 

Weil jede Insel über ein eigenes, unabhängiges Netz verfügt, kann der Umbau der Energieversorgung nicht ganzheitlich für die Inselgruppe erfolgen, sondern erfordert wortwörtlich individuelle Insellösungen. Zum Beispiel auf Terceira. Hier investiert der portugiesische Energieanbieter Electricidade dos Açores (EDA) in innovative Grid-Edge-Technologie: einen Batteriespeicher mit einer Leistung von 15 Megawatt (MW), kombiniert mit dem intelligenten Spectrum Power Microgrid Management System von Siemens.

 

Das Speichersystem sorgt dafür, dass kein selbst produzierter Strom verloren geht und er so effizient wie möglich genutzt wird: Es nimmt überschüssige Energie auf und speist sie dann wieder ins Netz ein, wenn zu wenig Stromproduziert wird, um die Nachfrage zu decken. 

Die Speichertechnologie in Verbindung mit der Microgrid-Anwendung hilft uns, die Integration erneuerbarer Energiequellen auf Terceira zu maximieren. 
 Duarte José Botelho da Ponte, Vorstandsvorsitzender von EDA – Eletricidade dos Açores

Zudem reguliert das Speichersystem Netzfrequenz und -spannung – und erhöht damit die Stabilität. „Das Energiespeichersystem ermöglicht Terceira den Übergang zu einem neuen Energiemix“, sagt Fernando Silva, Director of Smart Infrastructure bei Siemens Portugal. „Der Anteil an erneuerbarer Energie kann erhöht, die Nutzung fossiler Brennstoffe eingeschränkt und die Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Außerdem wird das System die Energieunabhängigkeit der Insel fördern – durch erhöhte Flexibilität, Kapazität, Resilienz und Autonomie des Stromnetzes.“ 

Intelligentes Microgrid-Managementsystem sorgt für Effizienz

Das Spectrum Power Microgrid Management System sorgt dafür, dass das Zusammenspiel von Stromerzeugung, Batteriespeicher und Stromverbrauch optimal funktioniert. Es ermöglicht die Echtzeitüberwachung und Steuerung der gesamten Infrastruktur sowie stunden- oder tageweise Prognosen bezüglich der Produktion, Verbrauch und Speichernutzung. Diese Voraussagen basieren auf einer Vielzahl von Daten, darunter auch Wetterinformationen.

 

„Damit können wir eine optimierte Betriebsstrategie verfolgen und die Versorgungssicherheit für unsere Kunden erhöhen“, sagte Duarte José Botelho da Ponte, Vorstandsvorsitzender von EDA – Eletricidade dos Açores. „Die Speichertechnologie in Verbindung mit der Microgrid-Anwendung hilft uns, die Integration erneuerbarer Energiequellen auf Terceira zu maximieren. Gleichzeitig können wir dadurch eine hochwertige und zuverlässige Energieversorgung sicherstellen.“

 

Das System ermöglicht es, zusätzliche sechs Megawatt Energie aus erneuerbaren oder endogenen Quellen wie Geothermie in den Strommix aufzunehmen. Dadurch kann die Insel mit Hilfe des neuen Batteriespeichers den Anteil an erneuerbaren Energien mittelfristig auf rund 60 Prozent ausbauen. Ist dieses Ziel erreicht, lässt sich der modular aufgebaute Batteriespeicher nach Bedarf erweitern.

 

Doch schon der aktuelle Ausbau bringt messbare Verbesserungen mit sich: So lässt sich der jährliche Dieselverbrauch auf der Insel um 1.150 Tonnen verringern, weil weniger Strom mit Hilfe von Generatoren erzeugt werden muss. Das entspricht einer Reduktion des CO2-Ausstosses um mehr als 3.500 Tonnen pro Jahr – das ist in etwa so viel wie 1.500 Fahrzeugen verbrauchen, die jährlich 20.000 Kilometer zurücklegen. Damit dürfte das neue Speichersystem eben doch nicht nur Technik-Afficionados, sondern auch Naturliebhaber begeistern.

 

Mit dem Projekt folgen die Azoren dem Beispiel anderer Inseln, die sich in Sachen Dekarbonisierung hohe Ziele gesetzt haben: So will Irland bis 2030 70 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen generieren – und setzt ebenfalls auf Batteriespeicher, um das zu schaffen.

11. November 2020

Bilder: Siemens AG / Getty Images

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