Eine Strominsel im Sturm
Das Reservat Blue Lake Rancheria im Norden Kaliforniens, das auf eine jahrhundertealte Geschichte zurückblickt, nahm 2017 ein lokales Microgrid in Betrieb. Eine Entscheidung, die sich aktuell bewährt. Denn während der COVID-19-Krise spüren wir alle, wie stark moderne Gesellschaften von Elektrizität abhängig sind. Hier hat sich das Blue Lake Rancheria Microgrid-System als enorm wertvoll erwiesen – und dies bereits zum zweiten Mal.
Das Reservat Blue Lake Rancheria war im März 2020 gezwungen, seine Unternehmen, allen voran das Hotel und das Kasino, zu schließen, um die Ausbreitung des COVID-19-Virus zu vermeiden. Allerdings leistet der Stamm wichtige Dienste für die Gemeinschaft und beherbergt auch eine Rot-Kreuz-Station.
Natürlich ist die COVID-19-Pandemie auch für die Menschen im Blue Lake Rancheria-Reservat eine völlig neue Herausforderung. Doch extreme Situationen sind ihnen nicht fremd: Während der gigantischen Waldbrände im Jahr 2019 öffnete das Reservat seine Tore und bot allen Hilfsbedürftigen eine sicheren Zuflucht. Viele Menschen konnten gerettet werden, weil im Hotel Platz für Patienten geschaffen wurde, deren Behandlung eine zuverlässige Stromversorgung erforderte. Als der Strom in vielen Regionen aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wurde und die umliegenden Kommunen dunkel blieben, funktionierten die Systeme in Blue Lake Rancheria weiterhin reibungslos: Das Reservat verfügt über eine unabhängige Energieversorgung in Form einer Microgrid-Lösung.
Als der Strom in vielen Regionen aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wurde und die umliegenden Kommunen dunkel blieben, funktionierten die Systeme in Blue Lake Rancheria weiterhin reibungslos.
In „normalen“ Zeiten versorgt das Microgrid in Blue Lake Rancheria ein 40-Hektar-Reservat mit Strom, bestehend aus Büros, einem Hotel und Kasino, Cafés, Restaurants und einer wichtigen Rot-Kreuz-Station. Während der vorsorglichen Stromabschaltungen während den Waldbränden gehörte Blue Lake Rancheria zu den wenigen Orten, die dank des Microgrids über ausreichende Reservestromkapazitäten verfügten. Die Versorgung der Bewohner und Notdienste war weiterhin gewährleistet. So gab es etwa Benzin, die Kühlanlagen, Internetverbindungen und Geldautomaten funktionierten, elektrische Geräte konnten geladen werden.
Autonomer Inselbetrieb
Im täglichen Betrieb bezieht Blue Lake Rancheria den grössten Teil des benötigten Stroms aus dem Netz. Bei einem Stromausfall können Microgrids aber als „Inselnetz“ betrieben werden. Sie koppeln sich vom traditionellen Netz ab und nutzen – im Fall von Blue Lake Rancheria – Solarenergie und ein Batteriespeichersystem für einen unabhängigen Betrieb.
Das Blue Lake Rancheria Microgrid verwendet als Controller die Siemens-Software „Spectrum Power Microgrid Management System“. Es analysiert verschiedene Daten, prognostiziert den Verbrauch und erstellt einen Einsatzplan. Als während der reduzierten Lastanforderungen in der Corona-Krise die Siemens-Techniker auf die Daten zugriffen, erkannten sie, dass der Controller bereits reagiert hatte: Er hatte potenzielle Probleme frühzeitig antizipiert und war virtuell aktiv geworden, um ihnen auszuweichen.
„Mit den Microgrid-Steuerungssystemen können wir elektrische Lasten reduzieren, wirtschaftlich operieren und die maximale Nutzung der Solarenergie sicherstellen“, sagt Jana Ganion, verantwortlich für Nachhaltigkeit & Bundesangelegenheiten im Reservat Blue Lake Rancheria. Dank der Möglichkeit, je nach Situation auf unterschiedliche Energiequellen zugreifen zu können, sparen die Betreiber des Microgrids jährlich mehr als 200.000 Dollar an Energiekosten und etwa 200 Tonnen an Treibhausgasen. Das zukunftsweisende Projekt ist beispielhaft für die gelungene Zusammenarbeit zwischen den staatlichen, föderalen und lokalen Behörden, zwischen Wissenschaft, Technologieanbietern und Versorgungspartnern.
Das Projekt war so erfolgreich, dass das Indianerreservat Blue Lake Rancheria Ende diesen Jahres und 2022 zwei weitere Microgrids realisieren und die im ersten Projekt erzeugte Strommenge mehr als verdoppeln wird.
Innert Jahresfrist meistert Blue Lake Rancheria zum zweiten Mal eine Extremsituation. Im Zuge der COVID-19-Krise leisten einige Mitarbeiter Überstunden, um Fertiggerichte in ausreichender Zahl zu verpacken und bereitzustellen. Auch das Küchenpersonal aus den zwischenzeitlich geschlossenen Restaurants ist im Einsatz. „Wir erfüllen weiterhin einen wichtigen staatlichen Versorgungsauftrag, wie z.B. Essen auf Rädern für die ältere Bevölkerung in einem Servicegebiet von über 3.625 Quadratkilometern zu liefern“, erklärt Jana Ganion.
Mehr als 12.000 Mahlzeiten wurden vorbereitet und für die Auslieferung tiefgekühlt. Das Kasino und seine Restaurants haben frische Produkte und Zutaten gespendet, die ansonsten auf dem Müll gelandet wären. Im Kühlbereich des Kasinos lagern Tausende von Fertiggerichten. In schwierigen Zeiten die Widerstandsfähigkeit der Stromversorgung zu verbessern und ein sicheres und fürsorgliches Umfeld für die Gemeinschaft zu schaffen, ist ein sehr starkes Vermächtnis.
Millionen Menschen rund um den Globus sind zurzeit auf die eigenen vier Wände beschränkt: Sie arbeiten im Homeoffice, bestellen ihre Einkäufe online und nutzen Video-Streaming-Portale, um sich Ablenkung und eine Verschnaufpause von der COVID-19-Nachrichtenflut zu verschaffen. Eine zuverlässige Energieversorgung ist deshalb unabdingbar – für die genannten Serviceangebote, und ebenso für den Betrieb der technischen Geräte, die die meisten von uns für selbstverständlich halten.
In vielen Ländern werden die Beatmungsgeräte sowie andere medizinische Ausrüstung in den Kliniken, die eine rasant steigende Zahl von Intensivpatienten behandeln müssen, mit Strom betrieben. In dieser beunruhigenden Situation und angesichts der raschen Veränderungen gewährleistet eine stabile Energieversorgung die zeitnahe Kommunikation von wichtigen Informationen zwischen Regierungen und Bürgern, Ärzten und Patienten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Niemals zuvor war eine sichere und zuverlässige Energieversorgung so wichtig wie heute! Blue Lake Rancheria hat vorgemacht, wie das im Kleinen funktionieren kann.
24.04.2020
Bilder: Siemens AG
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