Datenbasierte Instandhaltung – ein Leuchtturmprojekt aus Finnland

Wie in weniger als zwei Jahren aus einer Zukunftsvision ein neues Instandhaltungskonzept wurde. 

“Ylpeä” – so lautet das finnische Wort für Stolz. Ville Kautto würde es vermutlich nicht zugeben, aber man sieht es ihm an: Er ist stolz, wenn er über seinen Campus geht. Denn er hat hier in den letzten zwei Jahren viel bewegt. Gemeinsam mit seinem Team von SYK, einem Unternehmen, das Gebäude finnischer Universitäten verwaltet und instand hält, hat er das Instandhaltungsmanagement in eine neue Ära geführt.

Ville Kautto, leitender Maintenance Manager bei SYK, ist seit mehr als 17 Jahren im Instandhaltungsmanagement tätig und konnte in dieser Zeit viel Erfahrung sammeln. Gemeinsam mit seinem Team betreut er mehrere Universitäten in Finnland.

 

SYK ist dabei nicht nur für die Instandhaltung der Campusse zuständig, sondern in der Regel auch Eigentümer der Universitätsgebäude und -anlagen. Damit ist das Unternehmen sowohl Vermieter als auch Dienstleister für die Universitäten. Aufgrund dieser Doppelrolle ist für SYK der Status Quo nie genug: Anlagen und Gebäude werden permanent modifiziert und optimiert. Der Anspruch: SYK will der beste Campus-Entwickler Europas sein.

 

Ein Campus ist dann am besten gewartet, wenn die Studierenden, Lehrenden und Forschenden davon gar nichts merken. Auf dem City-Campus der Universität Tampere war das nicht immer der Fall. Immer wieder gab es Beschwerden über stickige Luft, zu kalte Räume und Mängel in den Heizungs- und Beleuchtungssystemen.

Wir versuchen Pioniere zu sein – in unserer Branche und durch die Art, wie wir Instandhaltung betreiben.
Ville Kautto, Maintenance Manager bei SYK

Das lag meist nicht an schlecht laufenden Prozessen oder an der Qualifikation des Personals, sondern an einem Mangel an Daten. Trotz regelmäßiger Inspektionen, Checklisten und Rundgänge bekamen das SYK-Team und seine Dienstleister nie ein detailliertes und transparentes Bild über den Stand der Ausrüstung, die Nutzung der Räumlichkeiten und die sonstigen Bedingungen. 

 

Die Lösung des Problems war Ville Kautto schon länger klar: „digitalisaatio“, also Digitalisierung. Das liegt auf der Hand: Wenn das Instandhaltungsmanagement datengesteuert ist, der Zustand der Anlagen laufend überwacht und das Raumklima zentral ausgewertet wird, dann kann auch schneller und bedarfsgerechter reagiert werden – idealerweise sogar in Echtzeit. Diese Veränderung hat die Arbeit des Teams komplett umgekrempelt. 

Gemeinsam zu einem datenbasierten Instandhaltungskonzept

Dieser Schritt ist nun tatsächlich gelungen – und das schneller als erwartet. Innerhalb von zwei Jahren hat SYK gemeinsam mit Siemens das Instandhaltungskonzept an der Universität Tampere vollständig erneuert. Es ist inzwischen sogar so weit digitalisiert, dass sich weitere Anwendungsfälle ergeben, etwa die Installation eines virtuellen Kraftwerks. Dabei werden die Daten, die im Gebäude erfasst werden, so genutzt, dass der Energiebedarf der Universität sich flexibel an das Angebot im Stromnetz anpassen kann. Das Ergebnis: mehr Stabilität für das finnische Netz sowie ein neues Geschäftsmodell für SYK.

 

Der Weg dorthin führte nicht über hohe Investitionen oder die Installation der neuesten Technologie – vielmehr waren es die Vernetzung der bestehenden Infrastruktur und eine Menge guter Ideen, die zu diesem Erfolg geführt haben. Die Basis dafür war die enge Zusammenarbeit zwischen SYK, Siemens und den Unternehmen, die für SYK auf dem Campus arbeiten.

 

Startpunkt war unter anderem ein ganztägiger Workshop, in dem sämtliche Arbeitsschritte, Prozesse und Verantwortlichkeiten zusammengetragen wurden. Dabei entwickelte sich ein gemeinsames Verständnis dafür, wie sich rasch Verbesserungen erzielen lassen, aber auch dafür, wo der Handlungsbedarf am dringendsten ist. 

Schnell war den Beteiligten klar, dass diese Veränderung etwas Großes werden würde: Weg von statischen Routinen und Checklisten, hin zu smartem Monitoring und bedarfsgesteuerten Einsätzen. Ein Campus, ausgestattet mit Sensoren, die permanent messen, was um sie herum passiert. Eine Plattform, die sämtliche Messungen zusammenträgt und aufbereitet. Und smarte Algorithmen, die mithilfe der Rechenpower der Cloud die Daten nutzbar machen. 

 

Auf dieser Grundlage suchte das Team um Ville Kautto zusammen mit Datenanalyse-Experten von Siemens nach weiteren Mustern, Erkenntnissen und Optimierungsmöglichkeiten. Sie taten dies auf sehr gezielte und überlegte Weise mithilfe von sogenannten Value-Hacking-Workshops, in denen Ideen auf Basis des „Design-Thinking“-Ansatzes schrittweise entwickelt wurden.

Bei einem Co-Creation-Projekt geht es vor allem darum, dem Kunden zuzuhören und herauszufinden, mit welchen Problemen er zu kämpfen hat.
Joni Salo, Service Business Manager bei Siemens

Ein Ergebnis dieser Vorgehensweise war die Integration von Wettervorhersagedaten in das Gebäudemanagementsystem (BMS). Auf Basis von Bodentemperaturdaten und Wettervorhersagen ist das System nun in der Lage, bei Schneefall den Schnee auf den Gehwegen des Campus zu schmelzen und Rutschgefahr zu vermeiden. Fällt hingegen kein Schnee, heizt das System nicht. Früher hätte das System automatisch mit Heizen begonnen, wenn die Außentemperatur auf einen bestimmten Wert gefallen wäre – unabhängig vom Schneefall. Mit Hilfe des datengesteuerten Ansatzes wurde auch eine neue Routine zur Überprüfung der Dächer eingeführt, die zum Zug kommt, wenn das System einen aufkommenden Schneesturm feststellt.

In Zahlen ausgedrückt hat das neue Instandhaltungskonzept folgende Effekte: 50% weniger Nutzerbeschwerden; bei 57% der identifizierten Probleme führte die Behebung zu einer erhöhten Energieeffizienz; 70% der Sichtprüfungen konnten durch Datenanalysen ersetzt werden.

 

Letztendlich profitieren von der Leistungsfähigkeit des neuen Instandhaltungskonzepts alle: SYK und seine Dienstleister, die sich Zeit, Material und unnötige Arbeitsschritte sparen; die Universität Tampere, die Energie und Kosten spart; die Menschen, die nun an einem deutlich komfortableren Ort studieren und arbeiten; und sogar das finnische Stromnetz sowie die Klimabestrebungen des Landes. Ein Grund stolz zu sein? Ville Kautto grinst und schweigt.

SYK Universitätsimmobiliengesellschaft Finnlands

Die Universitätsimmobiliengesellschaft Finnlands (SYK) ist eine landesweit tätige Eigentümerin und Entwicklerin von Hochschulstandorten außerhalb des Großraums Helsinki.

 

Um das Ziel eines möglichst attraktiven Campus zu erreichen, wurde ein neues, datenbasiertes Instandhaltungskonzept entwickelt.

 

Das neue Konzept wird durch Asset-Performance-Services erreicht, die es dem Team ermöglichen, Instandhaltungsdaten, Asset-Daten und Leistungsdaten in Echtzeit zu sammeln und auszuwerten.

November 16, 2020

Picture Credits: Siemens AG

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