Die Kunst, Kunstwerke zu schützen
Dank moderner Technik lässt das Bauhaus-Museum in Dessau nichts anbrennen.
Gemälde, Skulpturen oder Möbel sind vergängliche Objekte. Das 2019 eingeweihte Bauhaus-Museum in Dessau zeigt exemplarisch, wie in einem modernen Gebäude Kulturschätze mit Hilfe von Technologie wirksam geschützt werden – damit sie der Nachwelt erhalten bleiben. Siemens-Technik leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Seit September 2019 hat Dessau ein weiteres Wahrzeichen: Das neue Bauhaus Museum zeigt mehr als 1.000 Objekte aus der berühmten Kunstschule, darunter Schülerarbeiten und Unterrichtsaufzeichnungen sowie Entwürfe und Prototypen aus den Werkstätten. „Erstmalig können wir damit in Dessau die umfangreiche Sammlung unserer Stiftung öffentlich zeigen – und das im Herzen der Stadt,“ sagt Frank Assmann, Leiter der Bauabteilung bei der Stiftung Bauhaus Dessau.
Gegründet 1919 in Weimar, zog das Bauhaus im Jahr 1925 nach Dessau um. Und wer heute durch die Stadt in Sachsen-Anhalt spaziert, kommt an vielen Gebäuden und Plätzen vorbei, wo Meister und Studierende der renommierten Kunstschule über viele Jahre gelebt, gewirkt und ihre Freizeit verbracht haben. Das neue Museum steht also auf historischem Gelände – und es kommt gut an: Bis zu 1.000 Besucher strömen täglich durch das 5.000 Quadratmeter große Gebäude.
Schatzkiste im Betonriegel
Architektonisch orientiert sich das neue Museum natürlich auch am Bauhaus-Stil. Architekt González Hinz Zabala von addenda architects (Barcelona) entwarf einen langestreckten Riegel aus Beton, der in einer gläsernen Hülle untergebracht ist und wie ein schwebendes Stockwerk wirkt. Diese „Black Box“ ist von außen gut zu erkennen und enthält als „Schatzkiste“ des Gebäudes viele wertvolle Exponate der Stiftung Bauhaus Dessau, die insgesamt mehr als 49.000 Objekte der Kunstschule verwaltet – die weltweit zweitgrößte Sammlung ihrer Art.
Zu sehen sind in Dessau Objekte aus allen Phasen und Bereichen des Bauhauses. Die Besucher können Möbel, Leuchten, Textilien und andere Kunstwerke bewundern. Das ist nur möglich, weil moderne Technik die empfindlichen Exponate bestmöglich vor äußeren Einflüssen schützt. „Um Veränderungen oder gar Verfall zu vermeiden, müssen wir stets gleichbleibende Bedingungen in puncto Klima und Licht schaffen“, erklärt Assmann. „Bereits kurzzeitige Abweichungen können sich negativ auf die Ausstellungsstücke auswirken.“
Stress für die Kunstwerke
Potenziell schädliche äußere Einflüsse auf Kulturgüter lassen sich in vier Kategorien einteilen: energetisch, biogen, chemisch und mechanisch. Für mechanischen Stress sind unter anderem die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit verantwortlich: Wenn sie schwanken, quellen Materialien auf und sinken wieder in sich zusammen, was auf Dauer ihre innere Struktur zerstören kann. Betroffen sind unter anderem Ölfarbe, Leder und Holz – in letzterem können sogar Zellstrukturen irreversibel kollabieren, was zu den typischen aufgewölbten Verformungen führt.
Um Veränderungen oder gar Verfall zu vermeiden, müssen wir stets gleichbleibende Bedingungen in puncto Klima und Licht schaffen.Frank Assmann, Leiter der Bauabteilung bei der Stiftung Bauhaus Dessau
Darum ist eine angemessene Klimatisierung in Museen wichtig, wobei man allerdings gelegentlich Kompromisse finden muss: Organische Materialien fühlen sich zwischen 45 und 55 Prozent relativer Feuchte am wohlsten, während Metalle Trockenheit bevorzugen und bei unter 30 Prozent relativer Feuchte am besten vor Korrosion geschützt sind. Und während die meisten Materialien gut bei Temperaturen von 18 bis 20 Grad gelagert werden können, bevorzugen einige Kunststoffe eine kühlere Umgebung (zwischen zwölf und 15 Grad).
„Im Idealfall hat man Klimazonen für die unterschiedlichen Objekte“, sagt Professor Dr. Alexandra Jeberien von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. „Schwierig wird es aber zum Beispiel bei einem Stahlrohrrahmenstuhl mit Ledersitz. Bei solchen Kompositobjekten orientiert man sich am dominierenden Material und sucht den besten Mittelwert für die Temperatur und Feuchtigkeit.“
Schutz vor UV-Licht
Licht hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Kunstwerke. Vor allem der ultraviolette und blaue Anteil spaltet chemische Bindungen auf und zerstört so beispielsweise Farbstoffe und Bindemittel. Im Depot sind die Objekte davor recht gut abgeschirmt, und in der Ausstellung sorgt heute moderne Technik für Schutz: LEDs sind inzwischen für die Beleuchtung das Mittel der Wahl, weil sich ihr Spektrum gut steuern lässt. Einen zusätzlichen Schutz bieten UV-Filter an den Leuchtmitteln oder den Vitrinen. Außerdem lässt sich die Lichtdosis verringern – indem man etwa die Beleuchtung über Sensoren nur dann einschaltet, wenn gerade ein Besucher in der Nähe des Exponats ist.
Für unerwünschte chemische Reaktionen ist unter anderem der Luftsauerstoff verantwortlich. Bei Ölgemälden führt er zum Beispiel zu abnehmender Elastizität und Versprödung, aber auch andere Materialien werden geschädigt. „In Depots kann man darum den Sauerstoffanteil der Luft auf 16 Prozent statt der normalen rund 21 Prozent reduzieren“, berichtet Dr. Stefan Wülfert, Fachbereichsleiter Konservierung und Restaurierung an der Hochschule der Künste in Bern.
Dort und in den Ausstellungsräumen lauert aber noch eine andere Gefahr: Flüchtige organische Verbindungen (volatile organic compounds, VOC) können aus der Gebäudehülle, Beschichtungen, Verpackungen, Schränken oder Regalen austreten und beispielsweise mit Kunststoffen reagieren und sie aufweichen. Hier helfen nur ständiges Messen und der Einsatz möglichst VOC-freier Materialien.
Eine unzureichend geschützte Elektrik kann verheerende Folgen haben, auch und vor allem in Museen mit unersetzlichen Artefakten.Frank Assmann
Neben der Chemie und der Physik kann auch die Biologie zum Feind von Kunstwerken werden. Denn bei hoher Feuchtigkeit fühlen sich Schimmelpilze und Bakterien wohl – und neben diesen mikrobiologischen Gefahren drohen Schäden auch von Holzwürmern oder dem neu nach Deutschland eingewanderten Papierfischchen. Hier können spezielle Fallen und eine Lagerung bei geringer Feuchtigkeit und Temperatur helfen. Vor allem in den Depots werden die Schäden aber oft erst spät entdeckt, weil die Objekte stark verdichtet untergebracht und nicht ständig im Blick sind. Der internationale Leihverkehr ist ein weiterer Gefahrenherd: Insekteneier oder Pilzsporen können so eingeschleppt werden. Bei einem Befall hilft oft eine Wärmebehandlung oder der Entzug von Sauerstoff.
Brandschutz hat Priorität
Eine weitere Gefahr bedroht Besucher und Exponate gleichermaßen: Feuer. Darum ist in Museen besonders eine sichere Elektroinstallation gefragt – immerhin werden mehr als 30 Prozent aller Gebäudebrände durch Elektrizität verursacht, ein Drittel davon gehen auf das Konto der Elektroinstallation. „Eine unzureichend geschützte Elektrik kann verheerende Folgen haben, auch und vor allem in Museen mit unersetzlichen Artefakten“, sagt Assmann. „Sicherheit ist für uns immanent wichtig – im Hinblick auf unsere Besucher und Mitarbeiter einerseits, wegen unserer Kunstschätze andererseits.“
Dank moderner Siemens-Technik sind die Bauhaus-Exponate und die Besucher des Museums bestens geschützt. Für einen sicheren Betrieb der mehr als 500 Stromkreise sorgen Fehlerstrom- und Leitungsschutzschalter sowie knapp 260 Brandschutzschalter von Siemens. Die Schutzgeräte verhindern präventiv elektrisch verursachte Unfälle und Brände. So messen die Brandschutzschalter permanent das Hochfrequenz-Rauschen von Spannung und Strom auf der Leitung (Intensität, Dauer und die dazwischen liegenden Lücken).
Ein Mikrocontroller wertet diese Signale aus und veranlasst bei Auffälligkeiten innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde das Abschalten des angeschlossenen Stromkreises. „Mit den Siemens-Schutzgeräten und speziell dem Brandschutzschalter haben wir bereits gute Erfahrungen in ähnlichen Einrichtungen gemacht“, berichtet Jens Funcke, Elektromeister bei der Elektro Schulze GmbH, die für die Elektroinstallationen verantwortlich war. „Sie funktionieren einwandfrei, brauchen wenig Platz im Verteiler und sind sehr einfach zu installieren.“
Immer im optimalen Klimabereich
Für ein optimales Klima im Museum sorgt das Siemens-Gebäudeautomationssystem Desigo PX. Es steuert die Kühlanlage, das Belüftungssystem und die Wasserversorgung. „So können wir die Vorgaben der Konservatoren sicher einhalten: eine Temperatur von 21 Grad plusminus ein Grad sowie eine relative Luftfeuchte von 55 Prozent plusminus fünf Prozent“, erklärt Hartwig Bothe, der als Siemens-Projektleiter für das Klima- und Gebäudeleitsystem zuständig war. „Das ist keine einfache Aufgabe, denn durch die Glasfronten kommt viel Sonnenlicht in das Gebäude. Darum messen wir mit Sensoren die Intensität der Sonne und können über die Vorhangsteuerung die optimale Beschattung des Museums sicherstellen.“
Die intelligente Klimatisierung muss auch bei einem Ausfall der Hauptstromversorgung sichergestellt sein. „In diesem Fall schalten Leistungsschalter und Netzumschaltsteuergeräte aus dem Sentron-Portfolio automatisch auf die zweite Stromversorgung um. So kann die Klimaanlage ununterbrochen weiterlaufen und die Kunstwerke schützen“, berichtet Stefan Krause, der für Siemens für die Niederspannungs-Energieverteilung und das Schutzkonzept der Stromversorgung verantwortlich war. Bei diesem Projekt war er besonders motiviert: „Als geborenem Dessauer war mir der Schutz der Bauhaus-Exponate natürlich eine Herzensangelegenheit.“
08.09.2020
Text: Christian Buck
Bilder: Siemens AG
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