Wearables in smarten Gebäuden: Mehr Komfort, aber zu welchem Preis?
Wenn Wearables für Smart-Building-Anwendungen genutzt werden, kann das zwar Wohlbefinden und Komfort der Gebäudenutzer erhöhen. Es wirft aber Fragen bezüglich Datenschutz auf.
Am Körper getragene oder gar implantierte Geräte, die mit dem Internet of Things (IoT) verbunden sind, sogenannte „Wearables“, eröffnen im Rahmen von Smart-Building-Anwendungen ganz neue Möglichkeiten für die Interaktion zwischen Mensch und Umgebung. In Kombination mit automatisierten Gebäudesteuerungen versetzen sie Gebäudenutzer in die Lage, ihre Umgebung individuell zu steuern, zu automatisieren und so ihr Wohlbefinden zu steigern. Solche Potenziale voll zu nutzen, wirft allerdings Fragen bezüglich des Datenschutzes auf.
„Es gibt immer mehr Belege dafür, dass gesündere und glücklichere Menschen mehr leisten. Zukunftsorientierte Unternehmen suchen daher nach neuen Wegen, wie sie Komfort, Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter steigern können“, erläutert Jonathan Copley von Siemens Smart Infrastructure. „Vorreiter bei der Nutzung von Wearables für Gebäudeanwendungen werden voraussichtlich Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und das Gastgewerbe sein. Wearables werden bereits zur Überwachung der Vitalfunktionen von Patienten und der Genesungsbedingungen eingesetzt. Derzeit sind IoT-Sensoren in Entwicklung, die Menschen in Notsituationen helfen sollen, zum Beispiel älteren Menschen, die gestürzt sind, oder Rettungskräften, die in einem brennenden Gebäude eingeschlossen sind.“
Das Gebäude passt sich den Bedürfnissen der Nutzer an
Wearables erfassen hilfreiche Informationen wie den Aufenthaltsort, die Körpertemperatur, den Müdigkeitsgrad oder das Stressniveau des Trägers in der jeweiligen Umgebung und geben diese Informationen in Echtzeit an das Gebäudeinformationssystem weiter. Analyseverfahren ermitteln die für den Träger (oder die Mehrzahl der Träger) geeigneten Aktionen. Das kann eine Änderung der Raumtemperatur, der Lüftung oder der Beleuchtung in bestimmten Bereichen eines Gebäudes sein. Besonders komplex stellt sich die Situation in großen Gebäuden mit mehreren Parteien da, deren unterschiedliche Bedürfnisse eine intelligente Steuerung erfordern.
Geräte zur Überwachung von Gesundheitsparametern sind in der Öffentlichkeit bereits weitgehend akzeptiert.Jonathan Copley, Siemens Smart Infrastructure
„Der Einzug von Wearables am Arbeitsplatz und in Unternehmensnetzwerken bringt für die IT-Abteilungen zahlreiche Herausforderungen bei Sicherheit und Datenschutz mit sich, da Größenordnung und Umfang der Überwachung exponentiell zunehmen“, so Copley weiter. „Das Problem sind nicht allein die sensitiven personenbezogenen Daten. Den Mitarbeitern könnte es auch unangenehm sein, dass während des gesamten Tages Informationen über sie erfasst und aufgezeichnet werden.“
Unternehmen brauchen transparente Datenschutzrichtlinien
Copley führt weiter aus: „Geräte zur Überwachung von Gesundheitsparametern, wie sie von einigen Mitarbeitern im Rahmen von Wellnessprogrammen am Arbeitsplatz verwendet werden, sind in der Öffentlichkeit bereits weitgehend akzeptiert.“ Es erscheint daher durchaus vorstellbar, dass Produktivität oder Aktivitäten eines Mitarbeiters mit Geräten überwacht werden, um festzustellen, ob er die ihm übertragenen Arbeiten ausführt und sich am vorgesehenen Ort befindet. „Die Unternehmen haben die Pflicht, erfasste Informationen zu schützen, Daten nur für die vorgesehenen Zwecke zu verwenden sowie redlich und zum Wohle aller Mitarbeiter zu handeln. Des Weiteren sind offene und transparente Datenschutzrichtlinien anzuwenden“, sagt Copley.
Die eigentliche Herausforderung ist die Frage, inwieweit die Mitarbeiter bereit sind bzw. bereit sein sollten, höchst sensitive personenbezogene Daten zu teilen.Henry Lawson, Building Services Research and Information Association (BSRIA)
Die Building Services Research and Information Association (BSRIA), eine Forschungs- und Beratungsorganisation mit Sitz in Großbritannien, beobachtet und analysiert schon seit geraumer Zeit das Aufkommen von Wearables und deren potenzielle Rolle beim effektiven Betrieb von smarten Gebäuden. Henry Lawson, Senior Market Research Analyst in der Abteilung World Market Intelligence der BSRIA, vertritt folgende Auffassung: „Wir verstehen Wearables als wichtigen Ausdruck des wachsenden Interesses an Komfort und Wohlbefinden, dem neben der Förderung von Gesundheit und Produktivität der Mitarbeiter zunehmend ein großer potenzieller wirtschaftlicher Nutzen zugeschrieben wird.“
„Big Brother“ müssen Zügel angelegt werden
„Die Technologie ist bereits so weit, um mit Wearables umfangreiche Fakten über die physische – und implizit die mentale – Verfassung der Nutzer zu sammeln, die dann zur Anpassung sowie komfortableren und effizienteren Gestaltung ihrer Umgebung verwendet werden können“, erläuterte Larson. Gebäudesysteme müssen offensichtlich nicht nur in der Lage sein, diese Informationen zu interpretieren, sondern auch, vorsichtige und lokale Anpassungen der Umgebung vorzunehmen. Solche Anpassungen können sich auch auf die Funktion der HLK-, Beleuchtungs- und sonstigen im Gebäude vorhandenen Systeme auswirken.
„Diese technischen Probleme lassen sich lösen. Die eigentliche Herausforderung ist die Frage, inwieweit die Mitarbeiter bereit sind bzw. bereit sein sollten, höchst sensitive personenbezogene Daten zu teilen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten sicher sind und nicht verwendet werden, um am Arbeitsplatz oder anderswo eine Art „Überwachungsumgebung“ zu schaffen. Um die Mitarbeiter zum Tragen dieser Geräte zu bewegen, ist es vermutlich notwendig, eine Kombination positiver Anreize zu schaffen und hinreichend strenge Vorgaben betreffend der Datennutzung zu definieren, bei Bedarf gestützt durch Rechtsvorschriften. Wenn wir Big Brother Einblick in unser Leben geben, dann nur, wenn sichergestellt ist, dass er sich auch anständig benimmt“, fuhr Lawson fort.
Wearables haben das Potenzial, in Gebäuden eine Umgebung zu schaffen, die das Beste aus den Mitarbeitern herausholt.Jonathan Copley, Siemens Smart Infrastructure
Ungeachtet ihrer Risiken haben Wearables enormes Potenzial, Smart-Building-Anwendungen zu revolutionieren. Und die innovativsten und weitreichendsten Anwendungsfälle sind noch nicht einmal entwickelt. Copleys Fazit zu Wearables und Wohlbefinden lautete: „Wenn sich ein Mitarbeiter aufgrund seiner Umgebung nicht wohlfühlt, hat dies einen Produktivitätsverlust zur Folge. Wearables haben das Potenzial, in Gebäuden eine Umgebung zu schaffen, die das Beste aus den Mitarbeitern herausholt.“
27.01.2020
Bilder: Siemens AG
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