Batteriespeicher: Effizient, nachhaltig – und lukrativ?
Zwei privat finanzierte Batteriespeicher zeigen, wie sich am Grid Edge neue, nachhaltige Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
Die Dekarbonisierung des Energiesystems kann nur gelingen, wenn das Stromnetz flexibler wird. Dabei spielen Speichertechnologien eine Schlüsselrolle. Die steigende Nachfrage nach Flexibilität eröffnet Industrieunternehmen und Investoren, die auf Grid-Edge-Technologie setzen, interessante neue Möglichkeiten. Wie diese in der Praxis aussehen können, zeigen zwei Batteriespeicherprojekte in Finnland und der Schweiz. Das Erfolgsgeheimnis liegt dabei in beiden Fällen in einer innovativen Finanzierungslösung.
Beim Ziel sind sich alle einig: Die CO2-Emissionen müssen in den nächsten Jahrzehnten massiv sinken, um die Klimaerwärmung zu verlangsamen. Doch wer soll die Maßnahmen, die dazu erforderlich sind, bezahlen? Die Politik erhofft sich mehr Engagement vonseiten der Privatwirtschaft. Viele Unternehmen schrecken jedoch vor Investitionen in neue Technologien am Grid Edge zurück. Dabei können eben diese dazu beitragen, die Energieeffizienz zu steigern und die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern.
Dieses Dilemma lässt sich lösen. Das zeigt das Beispiel des Getränkeherstellers Sinebrychoff. Der Konzern ist eine Tochtergesellschaft der Carlsberg-Gruppe und gehört mit einem Abfüllvolumen von mehr als 300 Millionen Litern Bier und Erfrischungsgetränken zu den großen Getränkeherstellern in Finnland. Die Firma hat sich zum Ziel gesetzt, seine Produktionsprozesse bis 2030 zu dekarbonisieren.
Im Zuge dieser Bestrebungen hat sich das Unternehmen entschlossen, in seinem Produktionsbetrieb im Großraum Helsinki einen leistungsfähigen Batteriespeicher zu installieren. Solche Speicher sind für Industrieunternehmen wie Sinebrychoff aus mehreren Gründen interessant: So kann der Speicher die Energieeffizienz des Betriebs verbessern, was Kosten senken und CO2-Emissionen reduzieren kann.
Und weil die Speicherinstallation im Falle von Sinebrychoff mit einem Ausbau des Netzanschlusses auf 110 Kilovolt (kV) einhergeht, profitiert das Unternehmen von niedrigeren Stromtarifen. Und schließlich wird es möglich, Strombezug und Stromverbrauch zu entkoppeln, sprich die Energie muss nicht mehr dann vom Netz bezogen werden, wenn sie gerade benötigt wird.
Virtuelles Kraftwerk ermöglicht die Vermarktung von flexiblen Lasten
Aus Sicht des Unternehmens bedeutet das: Teure, produktionsbedingte Spitzenlasten lassen sich vermeiden, weil sie sich über den Speicher abfedern lassen. Und: Über ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk (VPP) können die Lasten, die dank Batteriespeicher flexibel werden, als Systemdienstleistung vermarktet werden – so wird die Teilnahme am Energiemarkt möglich.
Davon profitiert auch der Netzbetreiber, weil er dadurch mehr Flexibilität zum Ausgleich von Spannungsschwankungen erhält, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung vermehrt auftreten. Zudem verspricht die Lösung für den Netzbetreiber eine wesentliche Entlastung: Das Ein- und Ausschalten der großen Industrieanlagen von Sinebrychoff braucht sehr viel Strom. Dafür musste der Netzbetreiber bisher erhebliche Reserven vorhalten. Fallen diese in Zukunft weg, birgt dies ein großes Potenzial zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen auf dem finnischen Energiemarkt.
Für Sinebrychoff ist die Finanzierungslösung ideal, weil für das Industrieunternehmen kein Investitionsrisiko mit dem neuen Speicher verbunden ist.
Dem Potenzial einer solchen Lösungen stehen Hemmnisse entgegen: Obwohl die Preise für Batteriespeicher Jahr für Jahr sinken: Eine Anlage mit 20 Megawatt Leistung, wie sie beim finnischen Getränkeproduzenten entsteht, stellt nach wie vor eine große Investition dar. Hinzu kommt, dass weder die Wartung noch das Management von Energiespeichern zum Kerngeschäft eines Industrieunternehmens zählen – es also wünschenswert wäre, dass diese Aufgaben von Dritten übernommen werden.
Gemeinsam mit seinen Projektpartnern hat Siemens eine innovative Lösung gefunden, welche diese Hürden aus dem Weg räumt und Sinebrychoff bei seinen Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützt. Finanziert wird das Projekt vom in der Schweiz ansässige Unternehmen MW Storage International AG. Die Firma ist auf die Integration und den Betrieb von Speicheranlagen spezialisiert und behält nach der Erstinvestition in das Projekt einen Großteil der Anteile an der Batterieanlage.
Für Sinebrychoff ist das insofern ideal, als der Getränkehersteller lediglich das Land für den Speicher zur Verfügung stellen musste – aber ansonsten nicht an den Investitionen beteiligt ist. Damit ist mit der neuen Speicherlösung für das Industrieunternehmen kein Investitionsrisiko verbunden. Für den Investor wiederum stellt das Speicherprojekt eine nachhaltige Anlage dar.
Viele Beteiligte – ein Vertragspartner
An der Projektumsetzung sind mehrere weitere Unternehmen beteiligt: Die Speicherlösung – ein Gridstack-System mit 20-Megawatt – stammt von Fluence, einem Joint Venture von Siemens und AES. Daneben sind der finnische Stromnetzbetreiber Fingrid und Vibeco involviert. Vibeco ist ein finnischer Spezialist für virtuelle Kraftwerke (VPP) und ein Tochterunternehmen von Siemens. Die Firma entwickelt die Handelsplattform, welche die Partizipation am Energiemarkt ermöglicht.
Dieses innovative Modell, das von Siemens und seinen Partnern entwickelt wurde, ist für uns die ideale Komplettlösung.Pasi Lehtinen, Vice President Supply Chain bei Sinebrychoff
Siemens Financial Services schuf den finanziellen und rechtlichen Rahmen, war maßgeblich an der Entwicklung des Geschäftsmodells beteiligt und unterstützte durch intelligente Finanzierung den Aufbau des virtuellen Kraftwerks. Siemens ist zudem für den Bau einer Mittelspannungsschaltanlage sowie die Hochspannungsnetzanbindung verantwortlich.
Trotz vieler Beteiligter hat Sinebrychoff für das Projekt mit Siemens nur einen Vertragspartner, der eine schlüsselfertige Lösung garantiert. „Dieses innovative Modell, das von Siemens und seinen Partnern entwickelt wurde, ist für uns die ideale Komplettlösung“, sagt Pasi Lehtinen, Vice President Supply Chain bei Sinebrychoff.
Wir sehen in schlüsselfertigen Lösungen wie dieser ein Zukunftsmodell für verschiedene Industrien, darunter auch für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie.Wilfried Karl, CEO von MW Storage International
Wilfried Karl, den CEO von MW Storage International ist überzeugt, dass dieser Ansatz auch für viele andere Industrieunternehmen Potenzial hat: „Wir sehen in schlüsselfertigen Lösungen wie dieser ein Zukunftsmodell für verschiedene Industrien, darunter auch für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Die Unternehmen profitieren von modernster Speichertechnologie, finanziellen und ökologischen Vorteilen sowie von ausgewiesener Expertise und einem attraktiven Geschäftsmodell. Überdies tragen solche innovativen Lösungen zum Erreichen der Dekarbonisierungsziele bei.“
Durch private Finanzierung zum größten Batteriespeicher der Schweiz
Das Projekt in Finnland ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen MW Storage International und Siemens: Unter Verwendung von Fluence-Technologie haben sie 2020 in der Schweiz den bisher größten Batteriespeicher des Landes gebaut.
Die Anlage steht in Brunnen, Kanton Schwyz, und ist seit September 2020 in Betrieb. Der Speicher mit einer Leistung von 20 Megawatt und einer Kapazität von 18 Megawattstunden steht auf dem Gelände des lokalen Energieversorgers CKW, der ihn zur Blindleistungskompensation nutzt. Daneben erbringt der Speicher Systemdienstleistungen für den nationalen Netzbetreiber Swissgrid – namentlich Primär- und Sekundärregelleistung. „Es handelt sich um die erste Großbatterie in der Schweiz, die ohne Beteiligung von Subventionen oder Netzentgelten realisiert worden ist“, sagt Wilfried Karl.
Allein in europäischen Ländern sehen wir ein enormes Potenzial für netzdienliche Speicher.Wilfried Karl, CEO von MW Storage International
Auch dieses Projekt schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen ermöglicht die Speicherlösung die Integration von mehr erneuerbarer Energie ins Stromnetz. Zum anderen wirft sie für die Investoren hinter MW Storage eine Rendite ab und ist somit ein weiteres Beispiel dafür, wie sich ökologische Nachhaltigkeit und ökonomische Interessen durch die Investition in Grid-Edge-Technologien verbinden lassen.
Dass MW Storage sich für die Zusammenarbeit mit Siemens entschieden hat, ist dabei kein Zufall. „Es ist für unsere Investoren wichtig, dass wir mit einem erfahrenen Partner zusammenarbeiten, der das nötige Know-how im Haus hat. Hinzu kommt, dass wir eine langjährige Kooperation anstreben“, sagt Wilfried Karl.
Seiner Einschätzung nach werden in den nächsten Jahren viele weitere Speicherprojekte umgesetzt werden: Auf der einen Seite suchen institutionelle Anleger nach alternativen Anlagemöglichkeiten. Auf der anderen Seite dürfte die Nachfrage nach Flexibilität an den Strommärkten weiter steigen. Wilfried Karl: „Allein in europäischen Ländern sehen wir ein enormes Potenzial für netzdienliche Speicher.“
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Sebastian Sahlender, Senior Consultant Flexibility & Storage, Siemens Deutschland
Jan Namyslo, Global Service Sales Director, Fluence Energy GmbH
May 12, 2021
Picture credits: MW Storage International, Sinebrychoff, Fluence, Siemens
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